Donnerstag, April 18, 2024

Darmkrebs: Zeitraum für die Vorsorge bei Frauen muss verlängert werden

Bei Darmkrebs unterscheiden sich Männer und Frauen deutlich: bei der Chemo- und Immuntherapie, Erkrankungshäufigkeit und -alter.

Zehntausende erkranken in unseren Breiten jedes Jahr neu an Darmkrebs. Dabei sind auch immer jüngere Menschen betroffen. Neue Forschungsergebnisse zeigen nun weitreichende Geschlechterunterschiede bei dieser Tumorerkrankung. Dabei unterscheiden sich bei Männern und Frauen nicht nur in Teilen die Wirkung von Chemo- und Immuntherapie, sondern auch die Häufigkeit von Darmkrebs sowie das Erkrankungsalter. Experten der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) fordern, dass der Zeitraum für die Vorsorge für Frauen bei Darmkrebs daher über das 75. Lebensjahr hinaus verlängert werden sollte. Künftig werde das Geschlecht, aber auch die Gen-Analyse eine entscheidende Rolle bei Therapieentscheidungen spielen.



 

Darmkrebs zweithäufigste Tumorerkrankung bei Frauen, dritthäufigste bei Männern

Dick- und Mastdarmkrebs ist nach wie vor die zweithäufigste Tumorerkrankung bei Frauen und die dritthäufigste bei Männern in Deutschland. Zunehmend belegen Studien, darunter auch Resultate großer Register-Studien, einen Einfluss des Geschlechts auf die Vorsorge, Diagnostik und Therapie dieser Krebserkrankungen. „Dennoch haben die Erkenntnisse noch keinen Eingang in aktuelle Strategien gefunden“, stellt Professor Dr. med. Thomas Schiedeck fest, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV). „Die gendergerechte Therapie bleibt daher ein wichtiges Anliegen.“

So leiden Männer häufiger als Frauen an Darmkrebs. Unter 100.000 Männern, die 2014 über 75 Jahre alt waren, gab es statistisch gesehen 7477 Männer, die innerhalb der fünf vorangegangenen Jahre an Krebs erkrankt sind. Die Rate bei den gleichaltrigen Frauen lag bei 4438 pro 100.000 Einwohner.

 

Darmkrebs-Vorsorge bei Frauen

Frauen wiederum erkranken deutlich später und an anderen Darmabschnitten. Derzeit endet die krankenkassenfinanzierte Vorsorge-Untersuchung bei Frauen in einem Lebensalter von 75 Jahren. „Die Erkrankungsrate steigt danach aber nochmals an“, betont Schiedeck, der als Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Kinderchirurgie an den RKH Kliniken Ludwigsburg tätig ist. „Wir finden speziell bei älteren Frauen viele große Tumoren im rechtsseitigen Darm, die bei Darmspiegelung und Stuhltests nicht aufgefallen sind. Bei Frauen muss deshalb das Vorsorgefenster verlängert werden.“ Bei Männern hingegen beginne die Vorsorge ab dem Alter von 50 Jahren tendenziell zu spät.

 

Therapien

Die wichtigste Maßnahme zur Heilung von Darmkrebs bleibt die Operation. Neben einer Ernährungstherapie beeinflussen auch chemotherapeutische Konzepte die Operationschancen und Risiken. Auch hier – bei der Wirkungsweise oder dem Risikoprofil der Chemotherapie – spielt das Geschlecht der Betroffenen eine immer wichtigere Rolle.

„Es gibt Situationen, in denen Darmtumoren bei weiblichen Patienten weniger auf eine Chemotherapie reagieren“, so Schiedeck. Dann stelle sich die Frage, inwiefern die Betroffenen durch eine genderbedingt schlecht wirkende Therapie unnötig belastet werden würden. „Diese Entscheidung hängt aber letzten Endes auch von dem individuellen genetischen Profil ab, nicht nur von dem Geschlecht, weshalb eine genetische Analyse immer wichtiger wird“, betont Schiedeck.

Den größten Einfluss hat das Geschlecht aktuellen Daten zufolge bei der Immuntherapie – dies liegt hauptsächlich in der unterschiedlichen Hormonproduktion bei Mann und Frau begründet.




Literatur:

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Quelle: Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH)

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