Wenn es um Biobanken geht, ist Graz gewissermaßen Europa-Hauptstadt – sowohl die Leitung der europaweiten Biobanken-Forschungsinfrastruktur BBMRI-ERIC als auch der Österreich-Knotenpunkt BBMRI.at und die Biobank Graz als größte Europas sind am Zentrum für Wissens- und Technologietransfer (ZWT) in Graz angesiedelt.
Biobanken sammeln Blut-, Gewebe- und andere menschliche Proben und medizinische Daten und Bilder, die sehr wichtige Ressourcen für medizinische Innovationen sind. Nur wenn sie nach hohen und einheitlichen Qualitätsstandards gesammelt und dokumentiert werden, kann man sie für die Erforschung neuer Medikamente und Therapien verwenden. Wesentlich dafür ist auch, dass Biobanken untereinander sowie mit Patienten, Wissenschaftlern und der Pharma- und Biotechindustrie eng vernetzt sind. Am ZWT in Graz sind drei Institutionen angesiedelt, die diese Ziele verfolgen: BBMRI-ERIC, BBMRI.at und die Biobank Graz. Damit ist Graz ein europaweiter Hotspot im Bereich Biobanking.
Das große Potenzial der biologischen Proben und medizinischen Daten wird von der OEDC bestätigt: Biologische Proben sind laut OECD eine Schlüsselressource, weil der Großteil des Wissens über Erkrankungen, diagnostische Methoden und Medikamente aus der systematischen Untersuchung dieser biologischen Proben resultiert.(1)
Was ist BBMRI-ERIC?
Was das CERN für die Kernforschung ist, das ist BBMRI-ERIC für Biobanken und biomolekulare Ressourcen: eine europaweite Zusammenarbeit von 17 Mitgliedsstaaten und einer internationalen Organisation, die die Forschung vorantreiben und eine gemeinsame Infrastruktur schaffen wollen.
Geleitet wird BBMRI-ERIC vom ZWT in Graz aus, wo der schwedische Generaldirektor Jan-Eric Litton gemeinsam mit seinem 9-köpfigen Team, bestehend unter anderem aus internationalen und interdisziplinären Medizinern, Molekularbiologen, Betriebswirten, Juristen, Sozialwissenschaftlern und IT-Experten ein gemeinsames Ziel verfolgt: die Qualität von Blut-, Gewebe- und anderen Proben zu verbessern und eine Nutzung dieser Ressourcen europaweit zu vereinfachen.
Auch Asien blickt nach Graz
Eine Besonderheit von BBMRI-ERIC ist die Rechtsform, die von der EU geschaffen wurde, um eine paneuropäisch dezentralisierte Forschungsinfrastruktur zu errichten. „BBMRI-ERIC ist das einzige ERIC in Österreich und das größte im Bereich Gesundheit in Europa“, sagt Litton, der bereits von Kollegen in Tokio kontaktiert wurde – vergleichbare Initiativen gibt es bislang nämlich weder in Asien noch in Amerika.
Neu: Europaweite Suchmaschine für Biobanken
BBMRI-ERIC hat ein „Directory“ entwickelt, das in der Version 1.0 bereits online ist. IT-Manager Petr Holub: „Das Directory ist die erste und in dieser Art die einzige Suchmaschine für Biobanken und biomolekulare Ressourcen in Europa: ein Verzeichnis von rund 500 Biobanken und den jeweils verfügbaren Proben.“ Mehr dazu auf http://bbmri-eric.eu/bbmri-eric-directory.
Was ist BBMRI.at?
BBMRI.at ist der österreichische Knotenpunkt von BBMRI-ERIC. Ähnlich wie BBMRI-ERIC europa-weit, baut der BBMRI.at, bestehend aus medizinischen Universitäten und ihren Biobanken, eine österreichweite Biobankenforschungsinfrastruktur auf und integriert sie in die europäische. Kurt Zatloukal, Leiter von BBMRI.at, hat die Planung der europaweiten Infrastruktur koordiniert und we-sentlich dazu beigetragen, dass Graz als Standort für die Leitung gewählt wurde. „BBMRI-ERIC zeigt, dass man sich auch als kleines Land gestaltend in Europa einbringen kann.“
Dialog mit Forschern, Wirtschaft und Gesellschaft
Auch BBMRI.at hat einen Online-Katalog der österreichischen Biobanken und ihrer Probensammlungen entwickelt mit dem Ziel Forscher aus Universitäten und der Wirtschaft über die Art und den Umfang der Biobankproben zu informieren und ihnen den Zugang zu Biobankproben und medizinische Daten zu erleichtern (http://bbmri.at/catalog).
- Auch im Dialog mit der Pharma- und Biotechindustrie engagagiert sich BBMRI.at – etwa durch ein Vertragsmuster, das den Zugang zu Biobankmaterialien und universitärem Knowhow für Unternehmen deutlich professionalisiert sowie durch die Einrichtung einer Expertenrunde aus der Pharma- und Biotechindustrie, mit denen BBMRI.at wissenschaftliche und strategische Fragen diskutiert.
- Aktuell wird eine Online-Checkliste entwickelt, mit der Biobanken überprüfen können, ob ihre Probensammlungs- und -lagerprozesse den neuesten Qualitäts-Richtlinien des europäischen Normungsinstituts CEN entsprechen, die zukünftig ISO Standard werden..
- Dreimal jährlich organisiert BBMRI.at „Citizen Expert Panels“ in Graz, Wien und Innsbruck. „Dabei diskutieren Experten und Bürger unter anderem über die Probensammlung sowie ethische Aspekte“, erläutert BBMRI.at-Projektmanagerin Cornelia Stumptner. Der letzte Termin dazu fand am 19.10.2015 in Graz statt.
Biobank Graz
Neben BBMRI-ERIC und BBMRI.at gibt es am ZWT auch die Biobank Graz, die Partner von BBM-RI.at ist. Derzeit lagern in der Biobank Graz rund sieben Millionen Proben, damit ist man die größte Biobank Europas. „Das Ziel ist aber nicht, möglichst viele Proben zu sammeln, sondern Proben in hoher und vergleichbarer Qualität, denn nur so sind sie für Forschung in Wirtschaft und Universitäten von besonderem Nutzen“, sagt Berthold Huppertz, Direktor der Biobank Graz.
Zentrum für Wissens- und Technologietransfer in der Medizin
Auf österreichweit einzigartige Art und Weise und mit internationaler Vorbildwirkung sind im Zentrum für Wissens- und Technologietransfer in der Medizin (ZWT) seit Mai 2014 eigenständige Unternehmen und Institutionen aus dem Life-Science-Bereich in einen Universitätscampus integriert: jenen der Medizinischen Universität Graz. Das ZWT bietet Arbeitsplatz für rund 250 hochqualifizierte Menschen, die Bruttogeschoßfläche beträgt 10.800 Quadratmeter. Ein Teil der Flächen (La-bor/Büro/Sonstige) ist noch verfügbar. Die Laborausstattung erfüllt durchgehend S1 und S2-Standard, die Mieter haben direkten Zugriff auf die Core Facilitys der Medizinischen Universität Graz und sind eingebettet in ein Netzwerk an Kooperationspartnern aus Wissenschaft und Wirtschaft. Das ZWT wurde vom Wirtschaftsressort des Landes Steiermark und der Medizinischen Universität Graz errichtet und aus Förderungsmitteln des Landes Steiermark und der Europäischen Union (EFRE Mittel) mitfinanziert.