Donnerstag, März 28, 2024

Armut und Gesundheit im Blickpunkt

Armut und Gesundheit im Blickpunkt der Armutskonferenz im Rahmen der Alpbacher Gesundheitsgespräche. Man müsse den gesundheitlichen Folgern sozialer Ungleichheit entgegentreten.

 

„Man kann einen Menschen mit einer feuchten Wohnung genauso töten wie mit einer Axt“ zieht Sozialexperte Martin Schenk von der Armutskonferenz eine erste Bilanz zum Thema Armut und Gesundheit aus den Alpbacher Gesundheitsgesprächen. „Wer die Situation von Mindestsicherungsbeziehern weiter verschlechtert, Arbeitslose statt Arbeitslosigkeit bekämpft, die Chancen im Bildungssystem blockiert oder prekäre Niedriglohnjobs fördert, der verschlechtert die Gesundheitssituation im Land“, so Schenk.

Wer mit Gesundheitsfragen von Armutsbetroffenen zu tun hat, sorgt sich um schimmelfreie Wohnungen, Bildung, Arbeit, Erholungsmöglichkeiten, und eine Auflösung der belastenden Existenzangst. Die Gesundheitsdienste müssen den Zugang, die Inanspruchnahme und die Qualität unabhängig von Einkommen und Herkunft gewährleisten. Die Ärmeren müssen in ihren Selbsthilfepotentialen und Ressourcen gestärkt werden; was auch Auswirkungen auf einen gesünderen Lebensstil hat. „Gesundheitsförderndes Verhalten ist am besten in gesundheitsfördernden Verhältnissen erreichbar“, konstatiert die Armutskonferenz. „Arme Raucher sterben ja auch früher als reiche Raucher. Und sozialer Polarisierung können wir entgegentreten. Die Daten sprechen für sich: Sozialer Ausgleich ist eine gute Medizin“.

15 Vorschläge zum Thema Armut und Gesundheit – für weniger Barrieren im Gesundheitssystem

Bezogen auf das österreichische Gesundheitssystem schlägt die Armutskonferenz Verbesserungen in fünfzehn Punkten vor:

  1. Begleitdienste („Mitgehen“) für Armutsbetroffene bei Gutachten und Gesundheitsdiensten. Auch bei Ämtern und Behörden.
  2. Persönliche Begleitung, Mentoring, Buddies: Jemanden haben, der/die einfach da ist und Gemeinsames unternimmt, Freizeitaktivitäten etc.
  3. Psychotherapie und psychosoziale Notdienste: erleichterter Zugang zu kostenloser Psychotherapie, Ausbau von Therapie- und Beratungseinrichtungen und psychosozialen Notdiensten außerhalb der Ballungszentren.
  4. Prävention und Rehabilitation: erleichterter Zugang zu präventiven Gesundheitsmaßnahmen wie Kuren etc., uneingeschränkter Zugang zu REHA-Maßnahmen; Personen mit multiplen Beeinträchtigungen sind wegen Betreuungsbedarf von Kuren ausgeschlossen.
  5. Finanzielle Unterstützung: Unbürokratische finanzielle Unterstützung bei Behandlungen mit hohen Selbstbehalten (Zahnersatz, Regulierungen, etc.) sowie bei notwendigen Heilbehelfen (Hörgeräte, orthopädische Hilfen etc.); Selbstbehalte außerhalb der Rezeptgebührenbefreiung sind für Prekarisierte und Einkommensschwache nicht leistbar.
  6. Bessere räumliche Erreichbarkeit von Gesundheitseinrichtungen Menschen mit wenig Geld haben besonders im ländlichen Raum große Probleme, Gesundheitseinrichtungen zu erreichen. Auch kleinere Wege sind ohne Auto kaum machbar. Kommen Armut und Krankheit zusammen ist die Mobilität völlig eingeschränkt.
  7. Kein Zwang zu krankmachender Erwerbsarbeit. Die Erfahrung „ganz unten“ ist, dass Arbeit nicht automatisch „integriert“, sondern „sozial exkludieren“ kann, was Fragen rund um Sanktionen, Krankheit, Invaliditätspension und „Arbeit um jeden Preis“ aufwirft. Wenn Arbeit krank macht, prekarisiert, ohne Anerkennung und Wertschätzung, entsteht soziale Ausgrenzung durch die Arbeit selbst. „Arbeit um jeden Preis?“: AMS, Sanktionen und Angst machen krank.
  8. Krank und vor dem Nichts? Wiedereinführung des Pensionsvorschusses. Der Pensionsvorschuss war bisher eine finanzielle Absicherung für Menschen, deren Anspruch auf Krankengeld nach einem Jahr Bezug ausgeschöpft war. Gerade schwere Unfälle, langwierige Krebserkrankungen oder die zunehmenden psychischen Erkrankungen bringen eine längere Arbeitsunfähigkeit mit sich. Jetzt stehen die Betroffenen vor dem Nichts.
  9. Medizinische Gutachten: Mehr Respekt und Beachtung vorliegender Befunde. Bessere Ausbildung und Sensibilisierung von GutachterInnen. Bereits vorliegende Befunde dürfen nicht missachtet werden.
  10. 10. Gleiche Behandlung und gleiche Therapien – egal ob arm oder reich. Werden Armutsbetroffene gleich behandelt, bekommen sie die gleiche Medizin, die gleiche Therapie? Keine Klassenmedizin – ob bewusst oder unbewusst!
  11. Keine Kürzung für soziale Dienste und Einrichtungen. Sparpakete und Austeritätspolitik verschlechtern die Unterstützung von sozialen Diensten.
  12. Rechtshilfe und Anwaltschaft. Gleicher Zugang zum Recht für alle – egal ob arm oder reich. Vertretung von Betroffenen bei Krankenkasse, Pensionsversicherung, AMS und Sozialamt. Rechtsberatung, Rechtshilfe und Rechtsdurchsetzung.
  13. Krankenversicherung: Schließen der Lücken für Menschen ohne Krankenversicherung. Für viele ist der mangelnde Krankenversicherungsschutz kurzzeitlich, für manche dauerhaft. Es ist ein Mix aus strukturellen Lücken, sozialen Benachteiligungen, fehlenden persönlichen Ressourcen und mangelnder Information. Davon betroffen sind Menschen in prekärer Beschäftigung, Personen in schweren psychischen Krisen, Arbeitssuchende ohne Leistungsanspruch, Hilfesuchende, die ihren Mindestsicherungsanspruch aus Scham nicht einlösen.
  14. Verständlichkeit und Lesbarkeit von Formularen, Diagnosen und Therapien. Eine angemessenere und leichter verständliche Formularsprache. Mehr Zeit für die Erklärung von Diagnosen bzw. Therapien.
  15. Dialogforen mit ÄrztInnen, EntscheidungsträgerInnen und anderen Gesundheitsberufen. Armutsbetroffene kommen ins Gespräch mit AkteurInnen des Gesundheitssystems. Sensibilisierung für Anliegen und Situation Einkommensschwacher, Erfahrungsaustausch am runden Tisch (z.B. mittels „Weltcafé“).

Quelle:

Die Armutskonferenz www.armutskonferenz.at

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