Arbeitsängste beeinträchtigen sehr die Arbeitsfähigkeit: Personen mit Arbeitsängsten geraten nach Rehabilitation oft in eine Langzeit-Arbeitsunfähigkeit.
Arbeitsängste sind spezielle Ängste: sie unterscheiden sich von klassischen Angsterkrankungen und beeinträchtigen die Arbeitsfähigkeit in besonderer Weise – je nach Art der Arbeitsangst werden Ausmaß und Muster der Beeinträchtigungen unterschieden. Eine aktuelle Studie mit 244 Reha-Patienten bietet Ansatzpunkte, um Arbeitnehmer nach längeren Krankschreibungszeiten optimiert in ihren Arbeitsprozess eingliedern zu können.
Gefahr Langzeit-Arbeitsunfähigkeit
Arbeitsängste beziehen sich auf Gegebenheiten oder Personen am Arbeitsplatz oder ganz allgemein auf den Arbeitsplatz. Dazu zählen arbeitsbezogene soziale Ängste, arbeitsbezogene Sorgen, phobische Ängste und Vermeidungsverhalten. „Aus der Rehabilitationsforschung wissen wir, dass Menschen mit Arbeitsängsten besonders häufig in eine Langzeit-Arbeitsunfähigkeit geraten, oder gar auf eine Frühberentung hinsteuern“, sagt Beate Muschalla*, die seit langem untersucht, wie man Beeinträchtigungen der Arbeitsfähigkeit durch Arbeitsängste entgegenwirken kann.
In der eingangs zitierten Arbeit untersuchte die Rehabilitationspsychologin und Verhaltenstherapeutin 1610 Patienten einer Rehabilitationsklinik im arbeitsfähigen Alter zwischen 18 und 65 Jahren. Mit einem diagnostischen Interview identifizierte Muschalla zunächst 244 Patienten mit Arbeitsangst und erfragte deren spezifische Ängste. Die von Arbeitsangst betroffenen Patienten wurden dann hinsichtlich der Beeinträchtigungen ihrer Arbeitsfähigkeit beurteilt.
Grundlage hierfür war das international evaluierte Fremdbeurteilungsrating Mini-ICF-APP für psychisch bedingte Fähigkeitsbeeinträchtigungen. Mit diesem können 13 relevante (Arbeits-) Fähigkeitsdimensionen von Menschen beurteilt werden (u.a. Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit, Durchhaltefähigkeit, Selbstbehauptungsfähigkeit, Gruppenfähigkeit). Die Autorin analysierte den Zusammenhang zwischen Arbeitsängsten, Art der Fähigkeitsbeeinträchtigungen und den Arbeitsunfähigkeitszeiten im Zeitraum sechs Monate nach der Rehabilitation.
Unterschiedliche Beeinträchtigungen durch spezifische Arbeitsängste
Die Untersuchungen ergaben, dass sich verschiedene Arbeitsängste im Ausmaß und Muster ihrer Fähigkeitsbeeinträchtigungen unterscheiden:
- Arbeitsbezogene soziale Ängste beeinträchtigen vor allem die sozialen Kontakten am Arbeitsplatz – aber nicht die generelle Anwendung von Wissen und Kompetenzen.
- Insuffizienzangst – die Angst davor, die Arbeit unzureichend auszuführen oder nicht zu schaffen – ist vergesellschaftet mit schwächerer Durchhaltefähigkeit.
- Menschen mit ausgeprägtem arbeitsbezogenen Sorgenverhalten haben oft Probleme mit der Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit.
- Patienten mit Arbeitsplatzphobie zeigen eine erhöhte Beeinträchtigung ihrer Mobilität, speziell in der Fähigkeit, den Arbeitsplatz zu erreichen.
Arbeitsfähigkeit durch Toleranzarbeitsplätze
„Die moderne Arbeitswelt per se ‚macht‘ nicht ‚krank‘, sondern stellt zunehmend Anforderungen an kognitive und interpersonelle Leistungsfähigkeit, die Menschen mit psychischen Erkrankungen teilweise nicht erfüllen können. Immer mehr Beschäftigte mit psychischen Erkrankungen – epidemiologisch gesehen sind es 30% der Normalbevölkerung – laufen bei immer enger werdenden Anforderungen und Controlling Gefahr, aus der Arbeitswelt herauszufallen. Die Person-Umwelt-Passung muss wieder mehr beachtet werden. Nicht jeder Mensch muss alles können. Unsere Arbeitswelt braucht ‚Toleranzarbeitsplätze‘, damit auch zukünftig Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeitsprofilen arbeitsfähig bleiben“ erklärt Beate Muschalla. „Die Erkenntnisse unserer Studie liefern uns auch wichtige Ansatzpunkte für Interventionen bei Arbeitsängsten, wie zum Beispiel Wiedereingliederungsmaßnahmen. Je nach Art der Arbeitsangst können gezielte Maßnahmen eingesetzt werden: Bei sozialen Ängsten kann zum einen ein soziales Kompetenztraining versucht werden, andererseits können auch Arbeitsplatzanpassungen hilfreich sein, wie die Versetzung aus einer reinen Verkaufstätigkeit in eine Tätigkeit mit mehr Büroarbeit.“
Publikation:
Quelle: www.dgps.de Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs e.V.)
*Dr. Beate Muschalla, Psychologische Psychotherapeutin VT, Freie Universität Berlin Klinische Psychologie und Psychotherapie; Leitende Psychologin in der Zusammenarbeit mit Rehabilitationseinrichtungen Abteilung Rehabilitation; Deutsche Rentenversicherung Bund