Donnerstag, April 25, 2024

Wechselstrom-Stimulation bei Glaukom, Grüner Star, und Sehnerv-Schädigung

Mit Wechselstrom-Stimulation kann man durch Modulation der Hirnplastizität bei Glaukom, Grüner Star, und Sehnerv-Schädigung die Sehleistung wiederherstellen.

Der Verlust der Sehkraft durch Glaukom oder durch eine Sehnerv-Schädigung gilt als irreversibel. Eine unlängst publizierte prospektive, randomisierte, multizentrische, klinische Studie zeigte hingegen signifikante Verbesserungen des Sehvermögens bei teilweise erblindeten Patienten. Und zwar nach 10 Tagen Behandlung mit kleinsten Wechselstrom-Impulsen (alternating current stimulation, ACS). Die Behandlung mit der Wechselstrom-Stimulation führte bei Glaukom, grünem Star, oder Sehnerv-Schädigung zu einer Aktivierung von Restsehleistungen und Verbesserungen der Lebensqualität wie Sehschärfe, Lesen, Mobilität und Orientierung im Raum. Im Grunde genommen ist die Identifizierung von Faktoren, die die Wiederherstellung der neurologischen Funktion beeinflussen, ein zentrales Ziel der Rehabilitation in der Neurologie und Augenheilkunde ist.

 

Nach Schädigung des Sehnervs und Glaukom, Grünem Star, mittels Wechselstrom-Stimulation die Sehfähigkeit sicher und wirksam behandeln

Unter dem Strich ist die Wechselstrom-Stimulation ein sicheres und wirksames Mittel zur Wiederherstellung von Sehleistungen nach Schädigung des Sehnervs oder Glaukom, Grünen Star, über eine Beeinflussung der Hirnplastizität und Reorganisation von Hirnnetzwerken.

Unlängst gelang in einer groß angelegten Studie der weltweit erste Nachweis, mittels geringer elektrischer Ströme klinisch messbare Verbesserungen der Sehfähigkeit zu erreichen. Zweiundachtzig Patienten nahmen an der Studie teil, die an drei klinischen Zentren durchgeführt wurde (Universität Göttingen, Universität Magdeburg, Charité Berlin).

33 Patienten hatten Sehverluste durch grünen Star, 32 Patienten litten an einer anterioren ischämischen Optikusneuropathie, verursacht durch eine Entzündung, durch Kompression des Sehnervs (aufgrund von Tumoren oder Hirnblutungen) oder angeborenen Anomalien wie Lebersche hereditäre Optikusatrophie; 8 Patienten hatten mehrere Ursachen für den Sehverlust.

Nach zufälliger Aufteilung der Patienten in zwei Gruppen erhielten 45 Patienten an 10 Tagen für jeweils 50 Minuten die Wechselstrom-Stimulation und 37 Patienten erhielten die Kontrollbehandlung, die lediglich eine sehr geringe Dosis der Stimulation erhielt. Die Gruppen waren hinsichtlich Alter der Läsion sowie ihrer Sehleistung vergleichbar. Die Behandlung erfolgte durch Platzierung von Elektroden auf der Haut in der Nähe der Augen, über die der Wechselstrom verabreicht wurde. Die Sehfähigkeit wurde sowohl direkt nach Abschluss der Behandlung als auch zwei Monate danach untersucht, um die Stabilität der Verbesserungen zu überprüfen.

 

Signifikante Verbesserungen in der Erkennung von Sehreizen

Die behandelten Patienten zeigten signifikant größere Verbesserungen (24%) in der Erkennung von Sehreizen gegenüber Patienten in der Vergleichsgruppe (2,5%). Grund hierfür waren Verbesserungen im defekten Sektor des Gesichtsfelds von 59% in der behandelten Gruppe und 34% in der Vergleichsgruppe. Der Nutzen der Stimulation war auch zwei Monate nach der Behandlung stabil, wie die Verbesserungen in der Stimulationsgruppe (25%) gegenüber den vernachlässigbaren Änderungen der Kontrollgruppe (0,28%) zeigen.

Wie auch in früheren Vorstudien war das Verfahren ohne nennenswerte Nebenwirkungen, denn kein Teilnehmer äußerte unerwünschte Nebenwirkungen während der Stimulation. Nur in wenigen Fällen wurde von vorübergehendem, leichtem Schwindel oder Kopfschmerzen berichtet.

 

Ältere Studien bestätigt

Die Ergebnisse der Studie bestätigen die Resultate von früheren kleineren Studien, in denen die Wirksamkeit und Sicherheit der Wechselstrom-Stimulation gezeigt wurde. Diese Studien zeigten bereits, dass gut funktionierende Hirnnetzwerke für die Verarbeitung von visuellen Informationen von entscheidender Bedeutung sind. Diese können durch den Wechselstrom wieder synchronisiert werden und somit die Restsehfähigkeit aktivieren und verstärken.

 

Fazit

Die bestehenden Ergebnisse zeigen klar, dass die Nutzung der Behandlung mit Wechselstrom-Stimulation in der klinischen Anwendung bei Patienten mit Sehbeeinträchtigungen geeignet sind. Durch Veränderung der Hirnnetzwerke ist es so möglich, bei Patienten mit chronischem Sehverlust durch Schäden des Nervensystems die Sehleistung deutlich zu steigern.

Wobei jüngste Studiendaten vermuten lassen, dass psychosoziale Faktoren und die orthostatische Dysregulation sehr die Ergebnisse der Behandlungen zur Wiederherstellung des Sehvermögens bei der Rehabilitation bei Sehbehinderung beeinflussen. Die durch die Wechselstrom-Stimulation induzierte Wiederherstellung des Sehvermögens gelingt bei Patienten mit weniger stressanfälligen Persönlichkeitsmerkmalen und bei Patienten mit Anzeichen von orthostatische Dysregulation besser.

All das hat Auswirkungen auf die vorbeugende und personalisierte Wiederherstellung des Sehvermögens und ist von allgemeinem Wert für das Verständnis der Variabilität der Ergebnisse bei der Neuromodulation und der neurologischen Rehabilitation.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Verlust der Sehkraft, der lange als irreversibel galt, teilweise reversibel ist. Es gibt mehr Licht am Ende des Tunnels für Patienten mit Glaukom oder Schädigung des Sehnervs.“


Literatur:

Sabel BA, Wang J, Fähse S, Cárdenas-Morales L, Antal A. Personality and stress influence vision restoration and recovery in glaucoma and optic neuropathy following alternating current stimulation. Implications for personalized neuromodulation and rehabilitation. EPMA J. 2020 Apr 13;11(2):177-196. doi: 10.1007/s13167-020-00204-3. PMID: 32547650; PMCID: PMC7272530.

C. Gall, S. Schmidt, M.P. Schittkowski, A. Antal, G. G. Ambrus, W. Paulus, M. Dannhauer, R. Michalik, A. Mante, M. Bola, A. Lux, S. Kropf, S.A. Brandt, B.A. Sabel (2016). Alternating current stimulation for vision restoration after optic nerve damage. A randomized clinical trial. PLOS ONE, 29 Jun 2016. http://dx.doi.org/10.1371/journal.pone.0156134

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