Neuroprothesen erleichtern den Alltag von Querschnittgelähmten, eine am Universitätsklinikum Heidelberg entwickelte macht es möglich.
Wenn Menschen mit einer Querschnittlähmung Arme und Beine nicht mehr bewegen können, spricht man von einer Tetraplegie. Die Lebensqualität solcher Patienten ist enorm eingeschränkt, da sie immer und überall auf fremde Hilfe angewiesen sind. Die Klinik für Paraplegiologie am Universitätsklinikum Heidelberg hat jetzt eine Neuroprothese entwickelt, die mit Hilfe der Funktionellen Elektrostimulation (FES) die Armnerven stimuliert. Durch die Kontraktion der entsprechenden Muskeln können Handbewegungen wieder hergestellt werden.
Die Neuroprothese besteht aus einem Elektrodenhandschuh, einer Stimulations- und Kontrolleinheit. Der Patient steuert seine Hand über Schulterbewegungen. Diese misst ein Sensor, der auf der Haut der gegenüberliegenden Schulter aufgeklebt wird. Mit diesem Schulterjoystick kann der Grad der Handöffnung und die Greifstärke gesteuert, aber auch zwischen verschiedenen Griffmustern gewechselt werden. Auch kann das komplette System so ein- und ausgeschaltet werden.
Querschnittgelähmte mit Tetraplegie für Studie gesucht
Im Rahmen einer Studie werden Querschnittgelähmte mit eingeschränkter oder fehlender Handfunktion in einer speziellen Querschnittambulanz mit Neuroprothesen versorgt. Diese testen die Nutzer zuhause in ihrem Alltag und geben den Wissenschaftlern Rückmeldung. Bisher waren alle Tests erfolgreich und die Patienten zufrieden: „Die Nutzer konnten mit der Neuroprothese eine Gabel greifen und somit selbstständig essen. Auch das Schreiben mit einem Stift war möglich. Ebenso konnten die Betroffenen nach größeren Gegenständen greifen, beispielsweise nach einem Glas Wasser“, erklärt Dr. Rüdiger Rupp, Projektverantwortlicher und Leiter der Experimentellen Neurorehabilitation an der Universitätsklinik für Paraplegiologie. Die Patienten gewinnen somit wieder an Lebensqualität. Die Kosten für die Neuroprothese übernehmen in der Regel die Krankenkassen.
Zukünftig sollen Neuroprothesen mit Gehirnströmen gesteuert werden
Seit kurzem läuft ein neues Projekt am Querschnittzentrum des Universitätsklinikums Heidelberg: „MoreGrasp“ wird von der Europäischen Union mit insgesamt 3,5 Mio. Euro gefördert. Ziel des internationalen MoreGrasp Konsortiums ist es, die bisherigen Einschränkungen der Greifneuroprothese zu überwinden. Hierzu sollen neue Komponenten zugefügt werden. „Bisher werden die Prothesen mittels Schulterbewegungen gesteuert, das Ganze soll künftig intuitiver funktionieren“, erklärt Dr. Rupp: „Unsere Handbewegungen werden ja vom Gehirn aus gesteuert. Inzwischen stehen uns sogenannte Gehirn-Computer-Schnittstellen zu Verfügung, mit denen wir die Bewegungsabsicht über Elektroden auf dem Kopf erkennen können. Der Traum, den wir nun versuchen umzusetzen, ist, dass in Zukunft querschnittgelähmte Menschen allein über einen Gedanken ihre Handbewegung ausführen können.“ Das Besondere an dieser neuen Neuroprothese wäre, dass die Patienten erstmals beide Hände gleichzeitig kontrollieren können. Auch Menschen mit einer sehr hohen Querschnittlähmung – bei denen neben der Handfunktion auch die Ellenbogen- und Schulterfunktion beeinträchtigt ist – könnten von dem neuen MoreGrasp-System profitieren, da keine Schulterbewegungen mehr zur Steuerung benötigt werden.
Interessierte Patienten können sich direkt an die Querschnittambulanz wenden:
Tel.: 06221 56 – 26322; E-Mail: petra.rauch@med.uni-heidelberg.de
Quellen: http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Neuroprothese.132643.0.html
http://www.moregrasp.eu/ Webseite des MoreGrasp Projekts