Donnerstag, April 25, 2024

Lippen-Kiefer-Gaumenspalte mit Nasoalveolar-Molding behandeln

Die sogenannten Nasoalveolar-Molding-Methode soll eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, wichtige Funktionen verbessern und eine Gesichtssymmetrie erreichen.

Weltweit kommt eines von 500 Neugeborenen mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte zur Welt. Sie ist damit eine der häufigsten angeborenen Fehlbildungen. Die Behandlung ist komplex und langwierig. In der Regel sind mehrere Operationen im Säuglings- und Kindesalter nötig.

Eine Arbeitsgruppe der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat nun im Auftrag des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) untersucht, ob die Behandlungsergebnisse besser oder schlechter ausfallen, wenn vor der ersten Operation die Nasoalveolar-Molding-Methode (NAM) angewendet wird. Dabei soll eine individuell angefertigte Kieferplatte mit Nasenelement (Nasensteg) den Spalt mittels Druck- und Zugkräften verkleinern, um die Ausgangslage für die OP zu verbessern.

Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der MHH feststellen, gibt es jedoch bisher keine klinischen Studien, die belastbare Aussagen zu Nutzen und Schaden der NAM zulassen. Denn in den wenigen verfügbaren Studien werden wichtige Einflüsse auf das Behandlungsergebnis, wie Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen nach Alter bei erster OP und nach Schwere der Deformation, nicht ausreichend berücksichtigt. Stellungnahmen zum Entwurf dieses HTA-Berichts im Rahmen von ThemenCheck Medizin sind bis zum 25. März möglich.

 

Nasoalveolar-Molding soll bei Lippen-Kiefer-Gaumenspalte eine normale Entwicklung ermöglichen

Ziel der Behandlung ist es, eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte zu korrigieren und wichtige, von ihr abhängige Funktionen wie z. B. Ernährung, Atmung, Sprechen und Gehör zu normalisieren sowie eine Symmetrie des Gesichts zu erreichen. Damit wollen die Ärztinnen und Ärzte die Voraussetzung dafür schaffen, dass sich die betroffenen Kinder und Jugendlichen körperlich und sozial möglichst normal entwickeln können.

 

Nasoalveolar-Molding-Behandlung ist komplex und langwierig

Ein allgemein anerkanntes Behandlungskonzept, wie es sich üblicherweise u. a. in medizinischen Leitlinien niederschlägt, gibt es aktuell nicht. Häufig verschließen die Ärztinnen und Ärzte die Lippe im Alter von etwa drei bis sechs Monaten operativ. Vor dem Eingriff versuchen sie gegebenenfalls mittels NAM die Schwere der Deformation zu reduzieren. Um die Sprachentwicklung nicht zu behindern, wird der Gaumen in der Regel erst im Alter von 9 bis 18 Monaten verschlossen, mit 6 bis 11 Jahren folgt eine Korrekturoperation. Hat die NAM-Methode Erfolg, lassen sich gegebenenfalls weitere chirurgische Eingriffe vermeiden.

 

Störgrößen nicht ausreichend berücksichtigt

Studien mit hoher Aussagesicherheit, also randomisierte kontrollierte Vergleiche zwischen einer Behandlung mit NAM und ohne NAM, gibt es bisher nicht. Was die Arbeitsgruppe der MHH fand, sind vier Studien mit jeweils einer Kontrollgruppe. In diesen wurde aber nicht berücksichtigt, dass sich die Kinder mit NAM- und jene ohne NAM-Behandlung unterschieden – etwa in Hinblick auf das Alter bei der ersten Operation (bzw. zu Beginn der Intervention) oder bzgl. der Ausprägung der Spaltbildung. Das könnte die Behandlungsergebnisse beeinflusst haben. Fachleute sprechen hier von „Confoundern“ (engl. Störgrößen), die nicht kontrolliert wurden. Aussagen zum Nutzen oder Schaden der NAM lassen sich aus diesen Studien jedenfalls nicht ableiten.

 

Aspekte wie Schmerzen, Sprechen oder Atmung fehlen

Ohnehin berücksichtigten diese Studien ausschließlich Parameter zur Gesichtsästhetik, darunter die Symmetrie des Gesichts. Wichtige andere Aspekte wurden nicht erhoben. Für Schmerz gilt das ebenso wie für Sprechen, Atmung, Gehör oder die soziale und emotionale Entwicklung. Untersuchungen, welche die Patientinnen und Patienten über einen längeren Zeitraum vergleichen, gibt es ebenfalls nicht.

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