Donnerstag, März 28, 2024

Dynamik von Ionenkanälen auf der Spur

Am Vienna Biocenter wurde eine neue Methode entwickelt, mit der die enorme Selektivität und die Transporteigenschaften von Ionenkanälen besser zu verstehen sind. Dazu wurde die Infrarotspektroskopie mit Computersimulationen auf atomarer Ebene kombiniert.

 

Wissenschaftler um Alipasha Vaziri am Vienna Biocenter haben gemeinsam mit Kollegen am Institute for Biophysical Dynamics der University of Chicago eine neue Methode entwickelt, die es ihnen ermöglicht, die enorme Selektivität und die Transporteigenschaften von Ionenkanälen noch besser zu verstehen. Sie kombinierten dabei Infrarotspektroskopie mit Computersimulationen auf atomarer Ebene. Ihre Ergebnisse wurden kürzlich im Fachjournal „The Journal of Physical Chemistry B“ publiziert.

Ionenkanäle sind unverzichtbare Strukturen des Lebens. Ionenkanäle sind spezifische „Poren“ in der Zellmembran, die geladene Teilchen wie Kalium- und Natriumionen in die Zelle und wieder hinaus transportieren. Dadurch kontrollieren sie eine Vielzahl von biologischen Prozessen, wie die Gehirnfunktion und den Herzschlag. Ionenkanäle sind üblicherweise nur für einzelne Ionenarten durchlässig und werden dementsprechend bezeichnet, z.B. als Kaliumkanäle und Natriumkanäle. Durch dieses spezielle Auswahlverfahren (Selektivität) kann eine Ionenart mit sehr hoher Geschwindigkeit durchströmen, während andere Ionenarten daran gehindert werden.

Kaliumkanäle sind der meistverbreitete Typ von Ionenkanälen in Zellen. Wie wichtig dieser Ionenkanaltyp ist, wurde 2003 untermauert, als Roderick MacKinnon mit dem Nobelpreis für Chemie für die Kristallstrukturaufklärung des bakteriellen KscA Kaliumkanals ausgezeichnet wurde.

Trotz intensiver Forschung auf diesem Gebiet sind die exakten molekularen Mechanismen, die hinter der hohen Ionenselektivität und dem -transport der Kanäle stecken, noch nicht vollständig aufgeklärt. „Konventionelle Methoden, wie die Röntgenkristallographie, erfassen nur die starren Strukturen. Es ist daher unmöglich zu untersuchen, wie dynamisch einzelne Atome eines Proteins bei Raumtemperatur sind, also wie stark sie sich hin- und her bewegen. Doch genau die Dynamik eines Proteins ist oft der Schlüssel, um dessen präzisen Funktionsmechanismus zu verstehen“, erklärt der Physiker Alipasha Vaziri, Gruppenleiter an den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) und am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) und Leiter der Forschungsplattform „Quantum Phenomena & Nanoscale Biological Systems“ (QuNaBioS) der Universität Wien.

Neue Methode, um das Rätsel der Selektivität von Ionenkanälen zu lösen

Vaziris Team konnte nun gemeinsam mit Forschern am Institute for Biophysical Dynamics der University of Chicago mittels Infrarotspektroskopie in Kombination mit Computersimulationen der gewonnenen Spektren auch die kleinsten Formveränderungen des KscA Kaliumkanals untersuchen, die sich durch das Binden von Kalium oder des nur 0.04 Nanometer kleineren Natriumions ergeben. Sie entwirrten dabei die ineinander verschachtelten Infrarotspektren des Gesamtproteins, indem sie bestimmte Teile des Infrarotspektrums den entsprechenden Bausteinen des Proteins (Aminosäuren) zuordneten.

„Durch diesen neuen Ansatz können wir die Mechanismen ohne zeit- und kostenaufwändige Verfahren wie die sogenannte Isotopenmarkierung erforschen. Zudem ebnet dieser Zugang den Weg für die zukünftige Kombination mit zweidimensionaler Infrarotspektroskopie, was die Struktur und Dynamik von Ionenkanälen in biologisch relevanten Zeitskalen erfassen lässt“, sagt Christoph Götz, PhD-Student in der Gruppe von Alipasha Vaziri und Koautor der Studie.

Die Studie zeigt zum ersten Mal, dass die Kombination der beiden Methoden verwendet werden kann, um auch kleinste Konformationsänderungen in großen Membranproteinen, wie dem KscA Kaliumkanal, zu bestimmen. Zudem schaffen die Forscher damit die Voraussetzung, um die Dynamik von Proteinen in Echtzeit in atomarer Auflösung zu erfassen, was mit den bisher gängigen Techniken nicht möglich war.

 

Quelle: Publikation in „The Journal of Physical Chemistry B“:
Paul Stevenson, Christoph Götz, Carlos R. Baiz, Jasper Akerboom, Andrei Tokmakoff and Alipasha Vaziri: Visualizing KcsA Conformational Changes upon Ion Binding by Infrared Spectroscopy and Atomistic Modeling. In: The Journal of Physical Chemistry B (April 2015).
DOI: http://dx.doi.org/10.1021/acs.jpcb.5b02223

Related Articles

Aktuell

Steviosid: Eine revolutionäre Alternative zu Zucker

Mit seiner Süßkraft, die deutlich stärker ist als die von Zucker, hat Steviosid (ohne jegliche Kalorien) die Welt der Süßstoffe revolutioniert. Mit einer Süßkraft, die...
- Advertisement -

Latest Articles

Digital Detox: Der Weg zu einer besseren Männergesundheit

Die Entscheidung für einen Digital Detox ist ein Schritt hin zu bewussterem Leben und Arbeiten. In unserer heutigen, digital dominierten Welt ist es kaum noch...

Gartenmelde und seine Heilwirkung

Die Gartenmelde kommt in der Volksmedizin mit seiner diuretischen (harntreibenden) Heilwirkung als Brechmittel und als Abführmittel zum Einsatz. Gartenmelde ist ein vielseitiges Kraut in Küche...

Biosimilars in der Therapie der Psoriasis

Vergleich der Wirksamkeit und Sicherheit von Biosimilars mit Original-Biologika für die Behandlung von Psoriasis lässt Fragen offen. Bei der Behandlung von mittelschwerer bis schwerer Psoriasis...