Freitag, April 19, 2024

Angst vor Corona und Covid 19: verspätete Hautkrebs-Diagnosen mit fatalen Folgen

Die Angst in der Corona-Pandemie vor Covid 19 führt zu verspäteten Hautkrebs-Diagnosen und größeren Tumordicken – mit schlechteren Heilungschancen.

In Zeiten der Corona-Pandemie ist die Angst vor einer Covid-19-Erkrankung groß. Deswegen verschieben viele Menschen selbst bei besorgniserregenden Anlässen oder Früherkennungsuntersuchungen den Gang zur Hautärztin oder zum Hautarzt. Diese Folgen der Corona-Pandemie können vor allem für Hautkrebs-Patientinnen und Hautkrebs-Patienten dramatisch sein, wenn die Diagnose eben durch die Angst vor Covid 19 verspätet gestellt wird. Anhand aktueller Studien zeigen sich die fatalen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Versorgung von Hautkrebs-Patientinnen und -patienten hat.

 

Aus Angst vor Ansteckung Termine abgesagt oder verschoben

Obwohl Arztbesuche in Corona-bedingten Lockdownzeiten erlaubt sind, sagen viele Menschen aus Angst vor einer Ansteckung Termine ab oder verschieben sie. „Patientinnen und Patienten mit Hautveränderungen haben in der Zeit des ersten Lockdowns die Praxen und Kliniken gemieden und dadurch die Anzahl der Hautkrebsdiagnosen gedrückt“, sagt Professor Dr. med. Alexander Enk, Ärztlicher Direktor der Universitäts-Hautklinik an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und Past-Präsident der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG).

Zahlreiche Studien beschreiben diese Entwicklung und ihre Auswirkung. Die in Cancers 2021 veröffentlichte retrospektive Studie von L. Jakobs et al. verglich, wie viele Krebserkrankungen in Deutschland in der Zeit Januar bis Mai 2019 und Januar bis Mai 2020 diagnostiziert wurden. Insgesamt wurden die Daten von über 100.000 Patientinnen und Patienten aus 1660 Praxen ausgewertet. Ein Ergebnis ist, dass von allen Tumoren die Hautkrebs-Diagnosen durch die Corona-Pandemie am stärksten betroffen waren. Die Diagnose von Hautkrebs sank zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 um 25,6 Prozent und im April 2020 sogar um 42,9 Prozent in dermatologischen Praxen und um 19,6 Prozent im März 2020 und um 29,3 Prozent im April 2020 in Allgemeinarztpraxen.

 

Extremer Rückgang bei den Melanom-Inzidenzzahlen

Ähnlich deutlich sind die im Journal of the European Academy of Dermatology and Venereology (JEADV) publizierten Ergebnisse einer italienischen Forschergruppe um F. Ricci. Die vom pathologischen Referenzzentrum in Rom erfassten Zahlen zeigen, dass die Melanom-Inzidenzzahlen in den zwei Monaten vor dem Lockdown von 158 Melanomen auf 34 Melanome in der Zeit des ersten Lockdowns abfielen. Auch danach erholten sich die Inzidenzzahlen nur leicht, nämlich auf 45 in den folgenden zwei Monaten.

Gleichzeitig war der Verlauf der Tumordicken interessant. Während vor dem Lockdown die durchschnittliche Tumordicke 0,88 mm betrug, sank sie unter dem Lockdown auf 0,66 mm ab und stieg nach dem Lockdown auf 1,96 mm an. „Diese Melanomzahlen zeigen eindrücklich, dass Patientinnen und Patienten unter dem Lockdown nur seltener den Hautarzt mit der Verdachtsdiagnose Hautkrebs aufsuchten. Zugleich wird deutlich, dass dieses ‚Warteverhalten‘ zu einem Anstieg der Tumordicken direkt nach dem Lockdown führte“, erklärt Enk. Die Konsequenz daraus sei, dass sich die Prognose der Erkrankten erheblich verschlechtere.

In einer internationalen Umfrage der International Dermoscopy Society (IDS) unter Dermatologinnen und Dermatologen, veröffentlicht in Dermatological Practice Concepts von C. Conforti et al. 2021, zeigte sich ein deutlicher Abfall der diagnostizierten Non-Melanoma-Skin-Cancer-Fälle, während das maligne Melanom praktisch in der gesamten Zeit überhaupt nicht diagnostiziert wurde.

 

Hautkrebs-Früherkennung aber auch Nachsorge dringend machen – auch in der Corona-Pandemie trotz Angst vor Covid 19

Die Gründe für das Absagen oder Aufschieben von Arztterminen liegen auf der Hand. Besonders zu Beginn der Pandemie waren große Teile der Bevölkerung verunsichert und hatten große Angst, sich bei einem Besuch in der Praxis anzustecken. Jetzt ist die Situation anders: Hygienekonzepte, medizinische Masken, Abstandsregeln und die steigende Zahl der gegen SARS-CoV-2-Geimpften machen den Arzttermin mit geringem Ansteckungsrisiko möglich, so der Heidelberger Dermatologe.

„Als Fachgesellschaft appellieren wir eindringlich an die Bevölkerung, bei Hautveränderungen nicht zu warten, sondern sich umgehend untersuchen zu lassen. Hautkrebs-Früherkennungsuntersuchung, aber auch Nachsorge sollten unbedingt wahrgenommen werden“, sagt Professor Dr. med. Peter Elsner, Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) und Direktor der Klinik für Hautkrankheiten am Universitätsklinikum Jena. Die DDG unterstützt ausdrücklich die Richtlinien der European Society for Medical Oncology (ESMO), die unter anderem den verstärkten Einsatz von Telemedizin bei Verdachtsdiagnosen eines Hautkrebses empfehlen.


Literatur:

Jacob L, Loosen SH, Kalder M, Luedde T, Roderburg C, Kostev K. Impact of the COVID-19 Pandemic on Cancer Diagnoses in General and Specialized Practices in Germany. Cancers (Basel). 2021 Jan 22;13(3):408. doi: 10.3390/cancers13030408. PMID: 33499223; PMCID: PMC7865307.

Ricci F, Fania L, Paradisi A, Di Lella G, Pallotta S, Sobrino L, Panebianco A, Annessi G, Abeni D. Delayed melanoma diagnosis in the COVID-19 era. Increased breslow thickness in primary melanomas seen after the COVID-19 lockdown. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2020 Dec;34(12):e778-e779. doi: 10.1111/jdv.16874. Epub 2020 Sep 1. PMID: 32780876; PMCID: PMC7436601.

Conforti C, Lallas A, Argenziano G, Dianzani C, Di Meo N, Giuffrida R, Kittler H, Malvehy J, Marghoob AA, Soyer HP, Zalaudek I. Impact of the COVID-19 Pandemic on Dermatology Practice Worldwide: Results of a Survey Promoted by the International Dermoscopy Society (IDS). Dermatol Pract Concept. 2021 Jan 29;11(1):e2021153. doi: 10.5826/dpc.1101a153. PMID: 33614221; PMCID: PMC7875667.


Quelle: Deutsche Dermatologische Gesellschaft: https://derma.de

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