Donnerstag, April 25, 2024

Risikofaktoren für höhere Thromboseneigung und schwerere Covid-Erkrankung

Die wichtigsten Risikofaktoren für schwere oder gar tödliche Covid-19-Verläufe hängen erhöhen auch die Thromboseneigung.

Auch wenn eine Covid-19-Erkrankung sich hauptsächlich durch Atemwegssymptome bemerkbar macht, gilt es mittlerweile als gesichert, dass die Infektion auch das Blutgefäßsystem stark in Mitleidenschaft zieht. So zeigen Covid-19-Patienten eine verstärkte Blutgerinnung, stärkere Thromboseneigung und häufiger auch Entzündungen der Blutgefäße. In der Folge kann es zu schwerwiegenden Komplikationen mit potenziell tödlichem Ausgang wie Thrombosen, Lungenembolien, Schlaganfällen oder Durchblutungsstörungen in den Armen oder Beinen kommen. Von einer prophylaktischen Therapie mit Aspirin, wie sie nach einer US-amerikanischen Studie diskutiert wurde (1), raten Experten der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V. (DGG) derzeit allerdings ab. Die Gefäßspezialisten plädieren dafür, die nicht-medikamentöse Herz-Kreislauf-Prophylaxe während der Pandemie nicht zu vernachlässigen.

 

Covid-Risikofaktoren gelten auch für Thromboseneigung und Gefäßerkrankungen

Ein Blutgerinnsel nennt man in der Fachsprache Thrombose. Eine erhöhte Thromboseneigung, auch Thrombophilie genannt, bezeichnet eine vermehrte Neigung zu Blutgerinnseln. Wobei man als Thrombophilie meistens die Neigung zu Blutgerinnseln in den Körpervenen meint. Also in den Blutgefäßen, die das Blut zurück zum Herz führen. Aber auch in Arterien können Blutgerinnsel entstehen.

Die wichtigsten Risikofaktoren für einen schweren oder gar tödlichen Verlauf einer Covid-Erkrankung wurden schon früh in der Pandemie erkannt. Ein fortgeschrittenes Alter, männliches Geschlecht, Tabakkonsum, Bluthochdruck, Diabetes und starkes Übergewicht. „Dieselben Risikofaktoren gelten auch für Gefäßerkrankungen“, sagt Professor Dr. med. Markus Steinbauer, Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie am Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg und Präsident der DGG 2021. Weil stationär aufgenommene oder gar intensivmedizinisch betreute Covid-19-Patienten in ihrer Bewegung eingeschränkt sind und damit einen weiteren Risikofaktor für thromboembolische Ereignisse aufweisen, profitieren sie aufgrund der Thromboseneigung besonders von Maßnahmen der Thromboseprophylaxe oder antithrombotischen Therapie.

Eine im Oktober in der Zeitschrift „Anaesthesia & Analgesia“ publizierte Studie, nach der niedrigdosiertes Aspirin den Covid-Verlauf bei Herz-Kreislauf-Patienten positiv beeinflussen könne, sei jedoch vorsichtig zu interpretieren. „Bei Patienten mit Gefäßerkrankungen erscheint ein Schutz durch die gerinnungshemmende Wirkung von Aspirin plausibel“, so Steinbauer. Gefäßgesunde Covid-19-Patienten vorbeugend mit Aspirin zu behandeln, lasse sich mit der Studie allerdings nicht rechtfertigen und berge aufgrund der erhöhten Blutungsgefahr sogar Risiken. Hierzu müssten weitere randomisierte, kontrollierte und prospektiv angelegte Studien aufgelegt werden.

 

Bewegungsmangel kann zugleich das Thromboserisiko steigern

In der gegenwärtigen Situation besteht außerdem die Gefahr, dass über der – notwendigen – Diskussion um Corona-Schutzmaßnahmen und -therapiemöglichkeiten andere Gesundheitsprobleme aus dem Blick geraten. „Die Einschränkung der Mobilität und des sozialen Lebens schützt zwar vor Infektionen, der Bewegungsmangel kann jedoch zugleich das Thromboserisiko steigern“, mahnt Professor Dr. med. Dittmar Böckler, DGG-Präsident 2020 und Ärztlicher Direktor der Klinik für Gefäßchirurgie und Endovaskuläre Chirurgie am Universitätsklinikum Heidelberg. Sofern die infektiologische Lage es zulasse, müsse daher auch über eine Verkürzung der bislang 14-tägigen Quarantäne für Infizierte und Kontaktpersonen nachgedacht werden.

Auch andere Lebensstilfaktoren, die für das Herz-Kreislauf-Risiko entscheidend sind, werden durch die Lockdown- und Quarantänebedingungen beeinflusst. „Je nach beruflicher und sozialer Situation haben manche Menschen während des ersten Lockdowns zu ungesünderem und üppigerem Essen gegriffen, mehr Alkohol getrunken und ihren Tabakkonsum gesteigert“, so Böckler. Auch und gerade in Pandemiezeiten müsse daher weiter über die Bedeutung eines gesunden Lebensstils berichtet und aufgeklärt werden – umso mehr, als es sich dabei um effektive und kostengünstige Präventionsmaßnahmen handele, die das aktuell stark strapazierte Gesundheitssystem entlasten könnten.

Hierbei könnten auch telemedizinische Methoden, Schrittzähler oder Gesundheitsapps zum Einsatz kommen, mit denen sich Bewegungs- und Übungsprogramme anleiten oder kontrollieren ließen. Neben den direkten Gesundheitseffekten wirke sich die Herz-Kreislauf-Prävention nicht zuletzt auch positiv auf den Verlauf der Corona-Pandemie aus. Je besser die kardiovaskuläre Gesundheit der Bevölkerung sei, desto geringer sei auch die Zahl der Covid-Risikopatienten.


Literatur:

Chow JH, Khanna AK, Kethireddy S, Yamane D, Levine A, Jackson AM, McCurdy MT, Tabatabai A, Kumar G, Park P, Benjenk I, Menaker J, Ahmed N, Glidewell E, Presutto E, Cain S, Haridasa N, Field W, Fowler JG, Trinh D, Johnson KN, Kaur A, Lee A, Sebastian K, Ulrich A, Peña S, Carpenter R, Sudhakar S, Uppal P, Fedeles BT, Sachs A, Dahbour L, Teeter W, Tanaka K, Galvagno SM, Herr DL, Scalea TM, Mazzeffi MA. Aspirin Use Is Associated With Decreased Mechanical Ventilation, Intensive Care Unit Admission, and In-Hospital Mortality in Hospitalized Patients With Coronavirus Disease 2019. Anesth Analg. 2021 Apr 1;132(4):930-941. doi: 10.1213/ANE.0000000000005292. PMID: 33093359.


Quelle:

Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V. (DGG): www.gefaesschirurgie.de

 

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