Freitag, April 26, 2024

Ambulantisierung im Gesundheitswesen: ambulante statt stationäre Eingriffe im Krankenhaus

Die Ambulantisierung im Gesundheitswesen soll Versorgungsengpässe vermeiden, deswegen sollte man mehr Eingriffe ambulant in einer Praxis oder im Krankenhaus durchführen.

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern werden in Deutschland sehr viele Fälle stationär im Krankenhaus behandelt. Für das Gesundheitswesen bedeutet das einen hohen finanziellen Aufwand, der in den folgenden Jahren aufgrund des demografischen Wandels weiter steigen wird. In diesem Sinne will man zukünftig die Ambulantisierung im Gesundheitswesen stärken, dementsprechend sollen zukünftig mehr Eingriffe ambulant in einer Praxis oder einem Krankenhaus statt in stationären Einrichtungen durchgeführt werden.

Dies unterstützt die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) ausdrücklich. Wenn die Politik jedoch die Möglichkeit verpasst, vorher kostendeckende Modelle zur Vergütung zu schaffen, drohen Engpässe und Qualitätseinbußen bei der Versorgung. Das zeigt ein aktuelles Gutachten, das die Arbeitsgemeinschaft leitender gastroenterologischer Krankenhausärzte (ALGK), der Berufsverband Gastroenterologie Deutschland (BVGD) und der Berufsverband niedergelassener Gastroenterologen Deutschlands (bng) beim Institute for Health Care Business GmbH (hcb) beauftragt hat, um anhand vorliegender Leistungs- und Abrechnungsdaten neue Modelle für eine effiziente, qualitätsgetriebene Ambulantisierung und eine dafür geeignete Vergütung herauszuarbeiten.

 

Versorgungsengpässe sind in deutschen Krankenhäusern längst Realität.

Schon länger muss man plan- oder verschiebbare Operationen absagen. Denn es fehlt das Personal, um Patienteninnen und Patienten zu betreuen. Die nächsten Jahre werden diese Situation noch verschärfen, wenn Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegende aus den geburtenstarken Jahrgängen das Renteneintrittsalter erreichen. Für das Gesundheitssystem bringt das steigende Belastungen mit sich. Hinzu kommt, dass sich die finanzielle Lage vieler Krankenhäuser verschlechtert hat.

Gleichzeitig werden in kaum einem anderen Land so viele Eingriffe stationär und damit Ressourcen intensiv durchgeführt wie in Deutschland. „Hier sehen wir großes Potenzial, das Gesundheitssystem zu entlasten, indem auch speziellere Eingriffe ambulant durchgeführt werden, ohne die Versorgungsqualität zu mindern“, erklärt Professor Dr. med. Thomas Frieling, Kongresspräsident der Viszeralmedizin 2022 und Chefarzt der Medizinischen Klinik II, Helios Klinikum Krefeld.

 

Ambulantisierung im Gesundheitswesen durch künstliche Trennung von Ambulanz und Krankenhaus erschwert

„Eingriffe, bei denen eine Patientin oder ein Patient früher kategorisch stationär aufgenommen werden musste, sind aufgrund des medizinischen Fortschritts nun ambulant durchführbar. Doch der weiteren Ambulantisierung von Eingriffen steht die Sektorengrenze, also die künstliche Trennung von Ambulanz und Krankenhaus im Wege“, erläutert Prof. Dr. med. Heiner Wedemeyer, Mediensprecher der DGVS und Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie der medizinischen Hochschule Hannover.

Die Sektorengrenze, also die künstliche Trennung zwischen stationärer und ambulanter Versorgung, stellt nicht nur für die Krankenhäuser einen enormen Kosten- und Verwaltungsaufwand dar, sondern bringt auch Hürden für die Patientinnen und Patienten mit sich. Wird festgestellt, dass eine Patientin oder ein Patient bei einem Ambulanzbesuch in einem Krankenhaus doch stationär aufgenommen werden muss, dürfen die Ärzte auf der Station im Krankenhaus nicht ohne Weiteres auf die in der Ambulanz erhobenen Daten zugreifen.

„Für Patientinnen und Patienten ist diese künstliche Trennung oft nicht nachvollziehbar und bedeutet für alle Beteiligten einen unnötigen Zeit- und Ressourcenaufwand. Das führt beispielsweise dazu, dass Untersuchungen doppelt durchgeführt werden müssen, was das Gesundheitswesen unnötig belastet“, kritisiert Prof. Dr. med. Ludger Leifeld, Vorsitzender der Kommission Qualität der DGVS und Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Gastroenterologie, Sankt Bernward Krankenhaus Hildesheim.

 

Schrittweise Ambulantisierung sinnvoll

Bei der geplanten Aufhebung der Sektorengrenzen kommt es jedoch darauf an, dass sich für Patientinnen und Patienten keine Nachteile, etwa durch Qualitäts- und Sicherheitseinbußen oder verlängerte Wartezeiten ergeben. Dazu müssen zunächst die erforderlichen Strukturen aufgebaut werden.

Es ist wichtig, dass die Ambulantisierung schrittweise erfolgt. Von jetzt auf gleich alle Eingriffe, die ambulant zu realisieren sind, nur noch ambulant durchzuführen, würde im Systemversagen enden. Dann würden die Praxen überschwemmt und sich die Wartezeiten verlängern. Zudem wäre dann die Patientensicherheit aufgrund fehlender Ausstattung gefährdet. Durch die Ambulantisierung kann die für das Gesundheitswesen dringend benötigte Entlastung forcieren – aber nur wenn es Krankenhaus und Praxen möglich ist, in Patientensicherheit zu investieren und gleichzeitig kostendeckend zu arbeiten.


Link zum Gutachten:

Vergütungssystematik von ambulant zu erbringenden stationären gastroenterologischen Krankenhausleistungen


Literatur:

Augurzky, B., Krolop, S., Mensen, A., Pilny, A., Schmidt, C., Wuckel, C. (2018), Krankenhaus-Rating-Report 2018 – Personal-Krankenhäuser zwischen Wunsch und Wirklichkeit, medhochzwei Verlag, Heidelberg 2018.


Quelle:

Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)

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