Freitag, April 19, 2024

Mangel an Vitamin-A-Mangel führt zum Verlust der Blutstammzellen

Mangel an Vitamin A führte im Mausmodell zum Verlust der Stammzellen und zeigte, dass Vitamin A einen direkten Einfluss auf Blutstammzellen hat.

Unter dem Strich zieht Mangel an Vitamin A das blutbildende System im Knochenmark in Mitleidenschaft. Denn durch den Vitamin-A-Mangel gehen wichtige Blutstammzellen verloren. Bei diesen handelt es sich um schlafende Stammzellen, die nur im Notfall – etwa bei massivem Blutverlust oder Infektionen – aktiv werden. Diese rezenten Erkenntnisse dienen nicht nur dem besseren Verständnis des Reifungsprozesses von Blutzellen. Hingegen eröffnen sie auch neue Perspektiven für die Krebstherapie.



 

Schläfer-Stammzellen im Knochenmark

Unter dem Strich überleben viele spezialisierte Zellen nur wenige Tage. Beispielsweise etwa in der Haut, im Darm oder im Blut. Ein ständiger Nachschub an diesen Zellen ist daher unerlässlich. Die Quelle dafür bilden wenige adulte Stammzellen, die sich lebenslang teilen. Darüber hinaus existiert im Knochenmark noch eine Gruppe ganz besonderer Stammzellen. Diese Stammzellen verbringen die meiste Zeit des Lebens in einer Art Schlafzustand. Der Organismus aktiviert sie nur in Notfällen. Und zwar etwa bei bakteriellen oder viralen Infektionen, massivem Blutverlust oder nach einer Chemotherapie. Nach getaner Arbeit versetzt der Körper seine potentesten Stammzellen wieder in den Ruhezustand. Das schützt sie vor gefährlichen Mutationen, die zu Leukämien führen können, vermutet die Wissenschaft.

Über welche Mechanismen diese speziellen Stammzellen aktiv werden beziehungsweise sich nach getaner Arbeit wieder in den Schlaf versetzen, war bislang unklar. Als einen entscheidenden Faktor haben die Wissenschaftler nun Retinsäure identifiziert, einen Vitamin A-Abkömmling. Fehlt die Substanz, können aktive Stammzellen nicht mehr zurück in die Schlafphase und reifen stattdessen zu spezialisierten Blutzellen heran. Als Reservoir gehen sie dadurch verloren. Das beweisen Untersuchungen mit speziell gezüchteten Mäusen, deren schlafende Stammzellen grün fluoreszieren. Wenn man diese Mäuse über längere Zeit mit einer Vitamin-A-freien Diät füttert, dann führt dies zum Verlust der Stammzellen. Damit konnte man erstmals belegen, dass Vitamin A einen direkten Einfluss auf Blutstammzellen hat.

Diese Erkenntnis trägt nicht nur zu einem besseren Verständnis der Entwicklung von Blutzellen bei. Sie wirft auch ein neues Licht auf frühere Studien, die belegen, dass ein Vitamin-A Mangel das Immunsystem beeinträchtigt. Das zeigt wie lebenswichtig es ist, Vitamin A über eine ausgewogene Ernährung zuzuführen. Der Körper kann den Vitalstoff nicht selbst herstellen.



 

Neue Perspektiven von Vitamin-A für Blutstammzellen und Krebstherapie

Die Wissenschaftler erhoffen sich aber auch neue Perspektiven für die Krebstherapie. Denn vermutlich verharren nicht nur gesunde Stammzellen, sondern auch Krebsstammzellen in solch einem Ruhezustand. Dann ist ihr gesamter Stoffwechsel nahezu abgeschaltet, was sie unempfindlich macht gegenüber Chemotherapien. „Wenn wir im Detail verstanden haben, wie das Vitamin A beziehungsweise die Retinsäure dazu beiträgt, normale und bösartige Stammzellen in den Schlaf zu schicken, können wir versuchen den Spieß umzudrehen“, erklärt Trumpp. „Gelänge es, Krebsstammzellen kurzzeitig gezielt in einen aktiven Zustand zu bringen, könnte man sie damit zugänglich machen für moderne Therapien.“

Darüber hinaus haben Wissenschaftler dank genomweiter Analysen von hunderten von Einzelzellen entdeckt, dass der Übergang von schlafenden zu aktiven Stammzellen und dann weiter zu Vorläuferzellen kontinuierlich und für jede Zelle individuell verschieden abläuft. Bisher ging man davon aus, dass nach einem festen Entwicklungsschema schrittweise bestimmte Zelltypen entstehen. Diese Erkenntnis revolutioniert die bisherige Vorstellung davon, wie Zelldifferenzierung im Körper abläuft.




Literatur:

Nina Cabezas-Wallscheid, Florian Büttner, Pia Sommerkamp, Daniel Klimmeck, Luisa Ladel, Frederic B. Thalheimer, Daniel Pastor-Flores, Leticia P. Roma, Simon Renders, Petra Zeisberger, Adriana Przybylla, Katharina Schönberger, Roberta Scognamiglio, Sandro Altamura, Carolina M. Florian, Malak Fawaz, Dominik Vonficht, Melania Tesio, Paul Collier, Dinko Pavlinik, Hartmut Geiger, Timm Schroeder, Vladimir Benes, Tobias P Dick, Michael Rieger, Oliver Stegle und Andreas Trumpp: Vitamin A/ Retinoic Acid Signaling Regulates Hematopoietic Stem Cell Dormancy. CELL 2017, DOI: 10.1016/j.cell.2017.04.018


Quelle:

www.dkfz.de/

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