Donnerstag, März 28, 2024

Tularämie durch Francisella tularensis

Francisella tularensis, der Erreger der hochansteckenden Infektionskrankheit Tularämie, verwendet seine Nano-Harpunen, um sich aus der Gefangenschaft der Abwehrzellen zu retten.

Mit molekularen Nano-Harpunen bekämpfen viele Bakterien unliebsame Konkurrenten oder manipulieren ihre Wirtszellen. Der Erreger der hochinfektiösen Tularämie – Francisella tularensis – setzt seine Nano-Harpunen hingegen dazu ein, das körpereigene Abwehrsystem zu überwinden.

 

Infektionskrankheit Tularämie: lebensbedrohliche Infektionskrankheit

Die Infektionskrankheit Tularämie tritt häufig als Seuche unter Hasen und Nagern auf. Aber auch der Mensch kann sich anstecken, verursacht wird die lebensbedrohlichen Krankheit ist das Bakterium Francisella tularensis. Die Infektionsbiologen um Prof. Marek Basler und Prof. Petr Broz vom Biozentrum der Universität Basel zeigen nun am Beispiel einer für den Menschen harmlosen Francisella-Unterart, wie sich diese Bakterien mithilfe ihrer Nano-Harpunen aus Verdauungsbläschen im Inneren von Abwehrzellen befreien können.

Tularämie kann durch Parasiten wie Zecken und Flöhe oder durch Tröpfcheninfektion vom Tier auf den Menschen übertragen werden. Ohne medikamentöse Behandlung kann die Krankheit sogar tödlich verlaufen. «Die Sterblichkeitsrate kann bis zu dreissig Prozent betragen», erklärt Broz. «Bereits ein Dutzend eingeatmeter Francisella-Bakterien reichen aus, um sich anzustecken.» Da der Erreger sehr infektiös ist – die ansteckende Dosis liegt (außer über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen) bei nur ca. 10 Erregern – und sich schnell über die Luft verbreitet, wurde er in das Arsenal der biologischen Kampfstoffe aufgenommen.

Beim Menschen zeigt sich die Tularämie teilweise völlig unterschiedlich. Neben vor allem grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Schüttelfrost, Schwellungen der Lymphknoten, Unwohlsein sowie Kopf- und Gliederschmerzen) kann das klinische Bild bei Tularämie sehr vielfältig sein:

  • Geschwür-Bildung (primäre Ulzeration) nach Hautkontakt mit den Erregern, auch ohne vorhandene Wunden oder offene Hautstellen. Häufig wird die Infektion zunächst nicht entdeckt, die Größe kann zwischen wenigen Millimetern bis wenigen Zentimetern schwanken; bildet sich kein Ulcus (Geschwür), so liegt die glanduläre Form vor), regionale Lymphknotenschwellung (bei spätem Behandlungsbeginn vereiternd und nekrotisierend).
  • Infektion des Auges, (durch die kontaminierte Finger): häufig einseitige Konjunktivitis mit Ödemen am Lid oder starkem Tränenfluss, Lichtempfindlichkeit, Lymphknotenschwellung.
  • nach Aufnahme von kontaminiertem Wasser oder Lebensmitteln kann es zu Lymphknotenschwellung, Stomatitis, Pharyngitis und Tonsillitis kommen; hochdosiert können auch Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall auftreten.
  • Nach Inhalation von Francisella tularensis kann eine Bronchopneumonie, Husten, Brustschmerzen, Atemstörungen und Atemnot, Schweißausbrüche, Übelkeit, Erbrechen und Pneumonie auftreten.

Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist nicht bekannt, deswegen müssen Erkrankungsverdächtige und patienten nicht isoliert werden. Therapeutisch kommen verschiedene Antibiotika wirksam zum Einsatz, wobei eine frühzeitige Therapie von großer Bedeutung ist.

 

Bakterium Francisella mit eigenem, leistungsfähigen Waffensystem

Francisella verfügt aber sein eigenes effizientes Waffensystem – das sogenannte Typ-6-Sekretionssystem (T6SS), welches wie eine Harpune funktioniert. Mit dieser Nano-Harpune befreit sich das Bakterium von den Fresszellen. Denn die Abwehrzellen (Fresszellen) «fressen» in den Körper eingedrungene Erreger auf, schliessen sie im Zellinneren in kleinen Bläschen ein und verdauen sie. Mithilfe des T6SS kann sich Francisella jedoch aus diesen Verdauungsvesikeln befreien. So gelangt es schliesslich ins Zellplasma, den Ort, an dem es sich schnell vermehren kann.

Die beiden Forschungsgruppen untersuchten nun, wie das T6SS bei Francisella aufgebaut ist und wie es funktioniert. Dabei stellte sich heraus, dass der Erreger die Bestandteile seiner Waffe recycelt. «Nach dem Abfeuern der Harpune wird sie sofort in ihre Einzelteile zerlegt. Diese verwendet das Bakterium sofort für den Bau einer neuen Harpune», erklärt Basler. «Mit ihrer Waffe stechen die Bakterien durch die Membran des Vesikels, in das sie eingeschlossen sind, und injizieren Giftproteine in das Innere der Immunzelle.» Diese bislang noch nicht beschriebenen Proteine zerstören anschliessend die Vesikelmembran. So können sich die Bakterien schliesslich selbst aus ihrer «Gefangenschaft» befreien und sich vor einer Verdauung retten.

Besitzen sie diese Proteine nicht, gibt es für sie kein Entkommen. Das T6SS sowie die Giftproteine sind wichtige Virulenzfaktoren, denn sie sind entscheidend für den Erfolg des Bakteriums bei einer Infektion. Sind die Erreger erst einmal ins Zellplasma entkommen, fängt der eigentliche Kampf erst an, da sie sich nun gegen die angeborene Immunabwehr des Wirtes behaupten müssen.

Originalbeitrag

Maj Brodmann, Roland F. Dreier, Petr Broz and Marek Basler
Francisella requires dynamic Type VI secretion system and ClpB to deliver effectors for phagosomal escape. Nature Communications (2017), doi: 10.1038/ncomms15853

Quellen: https://www.unibas.ch/

https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Tularaemie.html

Weiterführende Links: Forschungsgruppe Prof. Marek Basler

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