Freitag, April 19, 2024

Tinea capitis, Kopfpilz-Infektionen, wieder häufiger bei Kindern

Tinea capitis – Dermatophyten verursachter Kopfpilz – tritt bei Kindern wieder häufiger auf und erfordert eine rasche wirksame Therapie.

Tinea capitis ist eine Kopfpilz-Infektionskrankheit der Kopfhaare durch Dermatophyten, die vor allem bei Kindern sehr kontagiös, ansteckend, ist und eine rasche Therapie notwendig macht. Die Situation ist jedenfalls von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Und zwar sowohl im häuslichen als auch im öffentlichen Bereich wie in Kindergärten, Schulen sowie anderen öffentlichen Einrichtungen.



Eine Spontanheilung bei vielen Formen dieser Kopfpilz-Infektionen der behaarten Kopfhaut ist nicht oder erst nach jahrelanger Bestandsdauer zu erwarten, manchmal mit den Folgen einer irreversiblen Vernarbung. Die Haarinvasion durch Pilzfäden erfolgt ausgehend vom Stratum corneum über das Follikelostium.

Vor allem der ursächliche Erreger ist für das klinische Bild prägend, wobei es als klassische Trias zu unterschiedlich stark ausgeprägten Entzündungserscheinungen mit Haarverlust, Schuppung und Vernarbung als möglichem Endstadium kommen kann.

 

Tinea capitis beim Kind häufig

Die Tinea capitis ist heute bei steigender Inzidenz die häufigste Pilzinfektion beim Kind. Seit 1990 steigen die Fallzahlen in verschiedenen europäischen Ländern vor allem im urbanen Bereich. In den USA bezeichnet man die drastische Zunahme der Kopfpilzinfektionen als »Volksseuche«.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren Kopfpilz-Infektionen in Europa – v.a. im Norden, ebenso wie in den USA – hauptsächlich durch das anthropophile M. audouinii verursacht. Tinea capitis microsporica-Endemien bei Kindern wurden in zahlriechen Heimen vieler Länder bis nach dem zweiten Weltkrieg beschrieben.

Ende der Fünfzigerjahre des letzten Jahrhunderts kam es sodann zum Rückgang der Kopfpilz-Infektionen. Eine mögliche Ursachen war das systemisch wirksame Antimykotikum Griseofulvin, dass ab 1958 verfügbar war. Außerdem bestanden verbesserte Umgebungskontrollen.

Weiter entwickelte sich eine Herdimmunität. Mit dem Rückgang von M. audouinii war ein Erregerwechsel zum zoophilen Microsporum canis, dem heute nun häufigsten Erreger der Tinea capitis bei Kindern verbunden.



 

Kopfpilz-Infektionen wieder häufiger

Manche Untersuchungen zur Häufigkeit der Kopfpilz-Infektionen zeigen eine hochsignifikante steigende Inzidenz der Kopfpilz-Infektionen im Kindesalter. Bei zahlreichen Erkrankungsfällen erwies sich im Erregerspektrum die Tinea capitis microsporica als die häufigste Entität (Microsporum canis 86,6%).

Gefolgt von Infektionen durch den Erreger der Rinderflechte (Tr. verrucosum 5,7%) und dem anthropophilen Tr. soudanense sowie ex equo Tr. mentagrophytes mit je 3,1% der Fälle. Die am stärksten betroffenen Altersgruppe waren in vielen Studien die 3- bis 7-Jährigen. Datenanalyse der Geschlechtsverteilung zeigen keine Prävalenz bezüglich des Geschlechts.

Kopfpilz-Infektionen durch bislang für unsere Breiten exotische, überwiegend anthropophile Dermatophyten wie Trichophyton tonsurans sowie Trichophyton soudanense sind in Europa zunehmend bei afrikanischen Kindern als Folge von Immigration sowie der Globalisierung zu beobachten.

Um einen weiteren Anstieg von Kopfpilz-Infektionen einzudämmen, sind intensive Maßnahmen zur Prävention bei Kindern nötig. Wichtig dazu ist auch die Zulassung effektiver und sicherer systemisch wirksamer Antimykotika für Kinder. Außerdem fachspezifische Information von Haus-, Kinder- und Hautfachärzten sowie Apothekern. Und eine verstärkte Kooperation zwischen Human- und Veterinärmedizinern zu fordern.

 

Besonderheiten der Therapie der Tinea capitis beim Kind

Die Tinea capitis muss prinzipiell systemisch und zusätzlich lokal behandelt werden. Wegen der Infektiosität muss in jedem Fall das Behandlungsziel die mykologisch gesicherte Heilung sein. Aus rechtlichen aber auch aus pharmakokinetischen Gründen muss bei der Therapie der Tinea capitis zwischen Erwachsenen und Kindern unterschieden werden.

Unter dem Strich kann man Terbinafin wie auch die Triazole im Erwachsenenalter problemlos verordnen. Allerdings ist zur systemischen Therapie im Kindesalter lediglich die Substanz Terbinafin ab dem 2. Lebensjahr zugelassen. Nicht zugelassen sind jedoch die Generika dieser Substanzklasse.



Erfahrungsgemäß muss zwischen Trichophyton- und Microsporum-Spezies unterschieden werden. Kopfpilz-Infektionen durch M. canis sind erfahrungsgemäß schwieriger und langwieriger zu behandeln als solche durch Trichophyton-Spezies. Da die Wahl des wirksamsten Antimykotikums vom Erreger abhängt, setzt man zur Kopfpilz-Therapie bei Kindern auch nicht zugelassene Substanzen ein.

 

Dosierungen

Die Dosierung des verwendeten Antimykotikums erfolgt in aller Regel in Abhängigkeit vom Körpergewicht. Weiter hängt die Therapiedauer vom ursächlichen Erreger sowie von klinischen Verlauf beziehungsweise des Ansprechens ab. Der Arzt sollte eine lokale Therapie in Kombination mit einer systemischen Behandlung zur Eindämmung der Ansteckungsgefahr beziehungsweise des Übertragungsrisikos einleiten.

Kontaktpersonen sowie Kontakttiere sollten erfragt bzw. untersucht und gegebenenfalls ebenfalls behandelt werden. Nach Einleitung einer systemischen sowie topischen antimyzetischen Therapie kann der Kindergarten- oder Schulbesuch erlaubt werden, ein Friseurbesuch ist jedoch ebenso wie Bodenturnen bis zum Erlöschen der Infektiosität (das heißt, bis zum negativen Pilzbefund) zu untersagen. Die Behandlung der Tinea capitis erfordert wegen der angeführten Besonderheiten fachliche Kompetenz und Erfahrung.

 

No Go bei Dermatophyten: Bestrahlung von Kindern mit Tinea capitis

Übrigens hart man zwischen den Jahren 1948 und 1960 tausende israelische Einwohne, vor allem Kinder, mit Röntgenstrahlen im Kopfbereich behandelt. Es kam zur sogenannten Ringelflechte-Affäre wegen der späten Nebenwirkungen der Therapie. Auch tausende Kinder im damaligen Jugoslawien sowie in Syrien bekamen die Bestrahlung als Behandlung der Tinea capitis.

Die Therapie mit der Röntgen-Bestrahlung war zwar in den allermeisten Fällen wirksam. Doch die behandelten Kinder entwickelten später im Leben sehr häufig Krebskrankheiten. Ein weiteres Problem war und ist nach wie vor die Entwicklung von Haarausfalls durch die Bestrahlung, die vor allem Frauen im höheren Alter aktuell noch immer sehr belastet.

 

Unterschiedliche Formen

Die behaarte Kopfhaut kann sowohl von anthropophilen und zoophilen, selten auch geophilen Dermatophyten der Gattungen Trichophyton und Microsporum infiziert werden. Während anthropophile Erreger nur geringgradige (aphlegmasische) klinisch-pathologische Veränderungen verursachen, erzeugen zoophile Erreger ausgeprägte und zumeist hochentzündliche (phlegmasische) Erscheinungsbilder.



Die Epidemiologie der Tinea capitis zeigt unter dem Strich ein erregerabhängiges geographisch restriktives Muster. Das reicht von sporadischen Fällen bis zu endemischen und epidemischen Situationen.

Die oberflächliche aphlegmasische Form kann durch Microsporum- sowie durch Trichophyton-Spezies verursacht sein; daneben können drei Formen nach klinischen Gesichtspunkten unterschieden werden. Die Trichoskopie hilft bei der schnellen Diagnose und ermöglicht eine sofortige Behandlung, wodurch man eine horizontale Übertragung verhindern kann. Der neuartige Befund »Hufeisenhaar«, über den bisher in der Literatur nicht berichtet wurde, muss in zukünftigen Studien validiert werden.

 

Tinea capitis microsporica

Bei der Tinea capitis microsporica (früher Mikrosporie) – Haupterreger M. canis – entwickeln sich auf dem Capillitium solitäre oder multiple, manchmal konfluierende, oft kreisrunde und scharf begrenzte haarlose Bezirke. Wobei die vorzugsweise von mehlartigen weißlichen Schuppen bedeckt sind.

Die vom Ektothrixmodus befallenen Haarschäfte brechen knapp über der Kopfhaut ab, dabei kann das klinische Bild mit dem einer schön gemähten Wiese bzw. eines Stoppelfeldes verglichen werden. Mit der Pinzette herausgezogene Haarstümpfe zeigen eine mehlartige Umscheidung aus Hyphen und Arthrosporen. Die Kopfhaut selbst zeigt keine bis geringfügige Entzündungszeichen.

Häufig finden sich an der freien Haut erythematosquamöse Herde im Sinne einer Tinea corporis micro­sporica. Endemisches Verhalten ist für den Erreger Microsporum canis charakteristisch. Unbehandelt kann die Tinea capitis microsporica jahrelang bestehen, eine Spontanheilung ist mit der Pubertät zu erwarten.



 

Tinea capitis superficialis trichophytica

Die Tinea capitis superficialis trichophytica wird, wie schon aus der Bezeichnung hervorgeht, zumeist von anthropophilen Dermatophyten der Gattung Trichophyton (Tr. violaceum, Tr. tonsurans, Tr. soudanense) verursacht.

Das klinische Bild zeigt zumeist große erythematosquamöse Herde von unregelmäßiger Gestalt mit abgebrochenen Haarschäften. Und zwar unmittelbar im Niveau der Kopfhaut oder dicht darüber.

 

Tinea capitis durch Tr. soudanense

Die Tinea capitis durch Tr. soudanense kann man bei Immigranten auf dem europäischen Kontinent zunehmend häufiger beobachten. Und zwar vorwiegend bei afrikanischen Kindern als eine Tinea capitis-Form durch exotische Erreger. Die Kopfherde zeigen kaum Zeichen der Entzündung, sind trocken und schuppend mit abgebrochenen Haaren. Obwohl Tr. soudanense als anthropophiler Dermatophyt sehr kontagiös ist, werden Personen anderer Rassen kaum oder nur vereinzelt befallen.

 

Tinea capitis profunda

Die Tinea capitis profunda stellt ein akut entzündliches Geschehen dar. An der Kopfhaut zeigen sich solitär oder multipel follikulär abszedierende Herde mit putrider (eitriger) Sekretion und nachfolgender Verkrustung. Als Folge der Follikel-Infektion und charakteristisch für Kopfpilz lassen sich Haare mit der Pinzette aus dem Entzündungsherd sehr leicht epilieren. Begleitend können die hautnahen regionären Lymphknoten entzündlich vergrößert und druckschmerzhaft sein.

Als Folge einer zu spät gestellten Diagnose Tinea capitis mit häufiger Verkennung als Karbunkel einschließlich einer zu späten Behandlung der Dermatophyten-Infektion kann sich eine kosmetisch beeinträchtigende irreversible flächige Narbe entwickeln.

Im Vergleich zu den anderen Tineaformen heilt die Tinea capitis profunda nach mehrmonatiger Bestandsdauer auch ohne Therapie spontan ab. Das geschieht als Folge der stärkeren Immunabwehr der betroffenen Person.




Literatur:

Segal-Engelchin D, Shvarts S. Does Severity of Hair Loss Matter? Factors Associated with Mental Health Outcomes in Women Irradiated for Tinea Capitis in Childhood. Int J Environ Res Public Health. 2020 Oct 10;17(20):7388. doi: 10.3390/ijerph17207388. PMID: 33050469; PMCID: PMC7601621.

Al Aboud AM, Crane JS. Tinea Capitis. SourceStatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls June 29, 2020.

Kumar P, Pandhi D, Bhattacharya SN, Das S. Trichoscopy as a Diagnostic Tool for Tinea Capitis: A Prospective, Observational Study. Int J Trichology. 2020;12(2):68-74. doi:10.4103/ijt.ijt_30_20

R. J. Hay. Tinea Capitis: Current Status. Mycopathologia. 2017; 182(1): 87–93. doi: 10.1007/s11046-016-0058-8

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