Freitag, April 19, 2024

Spezielles Vibrationstraining bringt für COPD-Patienten gute Wirkung

Ein spezielles Vibrationstraining bringt COPD-Patienten eine gesunde Wirkung Muskeln, Lunge und den ganzen Körper, ohne dabei außer Atem zu geraten.

Power Plate(R) gilt seit einiger Zeit als der Renner in Fitnessstudios. Mithilfe einer Vibrationsplatte, auf der die Übungen erfolgen, werden durch Schwingungen Muskelreflexe ausgelöst und dadurch die Muskulatur trainiert. Nun hat eine besondere Form dieser Muskelaktivierung als Ganzkörper-Vibrationstraining Einzug in die Medizin gehalten. Denn COPD-Patienten, die auf Grund ihrer Erkrankung nicht in der Lage sind, einen „Alltagssport“ auszuüben, ja mitunter nicht einmal kurze Wegstrecken zu Fuß zurückzulegen, können mit dem Vibrationstraining „sporteln“, ohne außer Atem zu kommen, mit gesunder Wirkung für die Lunge, die Muskeln aber auch den ganzen Körper. Selbst bei bettlägerigen Patienten kann diese neue Trainingsmethode erfolgreich angewandt werden. Heute untermauern die Ergebnisse mehrerer Studien den Erfolg dieser neuen Therapieform in der Praxis auch wissenschaftlich.



 

10 Minuten Vibrationstraining bei COPD bringt gesunde Wirkung für den ganzen Körper

„10 Minuten Power Plate statt 1½ Stunden schweißtreibendes Training“ – so oder so ähnlich preisen Fitnessstudios ein Ganzkörper-Vibrationstraining an, mit dem man angeblich abnehmen, Muskeln aufbauen oder Rückenprobleme in den Griff bekommen kann. Ohne zu schwitzen und ohne außer Atem zu kommen.

Das Vibrationstraining wurde ursprünglich in der russischen Raumfahrt entwickelt, um der degenerativen Wirkung der Schwerelosigkeit auf Muskeln und Knochenstrukturen zu begegnen. Und dieses Prinzip, auf das seit einiger Zeit Fitness- und Wellness-Gurus schwören, ist nun (wieder) in der Medizin angekommen.

Untersuchungen bei teils schwerkranken Patienten*, die an chronisch obstruktiver Lungenerkrankung, kurz COPD („Raucherlunge“), leiden, zeigen, dass diese Patienten auf vielfältige Weise von der Wirkung des speziellen Ganzkörper-Vibrationstrainings (WBV – Whole Body Vibration) profitieren können.

 

Nicht nur die Lunge, auch die Muskeln leiden

Bei COPD-Patienten finden nicht nur entzündliche Prozesse in der Lunge statt, sondern auch in den Muskeln. In der Folge kommt es zu Muskelabbau und einem Umbau der Muskelfasern. Die Muskelkraft ist dadurch im Vergleich zu gesunden Menschen deutlich reduziert. Da COPD-Patienten oft noch an zusätzlichen Krankheiten (Komorbiditäten) wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden, wäre aber gerade körperliches Training von größter Wichtigkeit. Aufgrund ihrer „Atemlosigkeit“ ist aber ein konventionelles Training für diese Patienten oft gar nicht möglich.

COPD-Patienten können auf vielfältige Weise von einem speziellen Ganzkörper-Vibrationstraining (WBV – Whole Body Vibration) profitieren. © Koczulla
COPD-Patienten können auf vielfältige Weise von einem speziellen Ganzkörper-Vibrationstraining (WBV – Whole Body Vibration) profitieren. © Koczulla

Genau hier können COPD-Patienten eine spezielle Form des Ganzkörper-Vibrationstrainings höchst erfolgreich einsetzen, wie aktuelle Untersuchungen zeigen.



Während bei einigen Geräten wie beispielsweise der Power Plate der Haupt-Kraftvektor, also die Vibration, in der Summe eher von oben nach unten gerichtet ist, handelt es sich bei dem häufig in der Wissenschaft verwendeten Galileo-Gerät um eine Muskelaktivierung, die durch die seitenalternierende Bewegung der Standplatte ausgelöst wird.

Das heißt, dass sich die Platte nach oben und unten bewegt. Die Patienten nehmen das dann als Vibration wahr. Schließlich löst die Behandlung über die Muskelspindeln einen Dehnreflex mit anschließender Muskelkontraktion aus. Und damit simuliert das physiologisch ein Gehen.

 

Auch auf die Haltung kommt es an

Durch eine Veränderung der Fuß- und Körperstellung können auch Beckenboden- und Körperstammmuskulatur unterschiedlich aktiviert werden. Arm- und Schultermuskulatur können zusätzlich mit einer speziellen Vibrations-Hantel trainiert werden. Auch die Frequenz der Vibrationen spielt eine Rolle.

Die Frequenz und die Amplitude, die über die Fußstellung kontrolliert wird, haben Einfluss auf das Trainingsziel. Dies kann von einer Muskellockerung bei niedriger Frequenz bis zu 10 Herz über ein Gleichgewichtstraining (Propriozeption) bis hin zum Muskelaufbautraining mit hohen Frequenzen ab 20 Herz erfolgen. Wichtig ist hierbei eine fachkundige Einweisung und Anleitung.

Studien belegen Effekte des Trainings

Um die Effektivität in der Praxis auch wissenschaftlich abzusichern, führten die Wissenschaftler diverse Studien zum Ganzkörper-Vibrationstraining durch. Eine Metaanalyse bezog sich auf verschiedene Untersuchungen an Patienten mit unterschiedlichem COPD-Schweregrad. Auch die Settings waren unterschiedlich. Teilweise ohne zusätzliches Training, teilweise mit zusätzlicher Physiotherapie sowie Atemtraining oder zusätzlichem Kraft- und Ausdauer- oder auch Yoga-Training. Auch die Länge und Intensität der jeweiligen Trainingseinheiten waren unterschiedlich.

Zusammenfassend kann man aber sagen, dass das zusätzliche oder alleinige WBV-Training eine Summe von Vorteilen bringt. Die Gehstrecke der Patienten konnte mittels WBV deutlich verbessert werden, das mehrmalige Aufstehen und Setzen erfolgte schneller als bei Vergleichsgruppen, die krankheitsbedingten Veränderungen der Muskulatur konnten quantitativ und qualitativ verbessert werden, die Muskelkraft und auch die subjektiv empfundene Lebensqualität konnte erhöht werden.



Diese Beobachtungen und Messungen ließen sich auch biologisch abbilden. Es konnte eine Abnahme verschiedener Entzündungsparameter sowie eine Erhöhung von Muskel-Aktivitätsparametern nachgewiesen werden.

 

Ganzkörper-Vibrationstraining – als möglicher fixer Bestandteil moderner COPD-Therapie?

Das Problem ist: wenig oder keine Bewegung bedeutet frühere Sterblichkeit. Gerade bei COPD-Patienten, die an schwerster Atemnot und diversen Komorbiditäten leiden, wäre aber Bewegung zur Verbesserung und Stabilisierung ihres Gesundheitszustandes von größter Notwendigkeit. Wie aber „sporteln“, wenn man schon im Ruhezustand kaum Luft bekommt?

Gerade hier, bei Patienten mit so einem schlechten Allgemeinzustand, man spricht von ‚Frailty‘, also Gebrechlichkeit, ist moderates körperliches Training extrem wichtig. Auch im Hinblick darauf, sie so weit zu empowern, dass sie ihren Alltag wieder allein meistern können und vor allem, um eine drohende Exazerbation, also eine dramatische Verschlechterung ihres Zustandes und die daraus resultierenden Spitalsaufenthalte, zu verhindern oder zumindest zu verringern.

Es gibt zudem Bestrebungen, dementsprechend WBV-Geräte auch für den Betteinsatz umzubauen. Dadurch könnte man auch besonders konditionslosen und bettlägerigen Patienten eine Trainingsoption eröffnen.

Wegen der guten Akzeptanz bei den Patienten und der Kürze der Trainingsphasen bei nachgewiesener Effektivität sollte das Ganzkörper-Vibrationstraining in Zukunft ein wichtiger Bestandteil in den Therapie-Konzepten der COPD sein. Allerdings müssen die Patienten die Vibrationstraining-Therapie – genauso wie ‚herkömmlicher Sport‘ – ein Leben lang fortsetzen.

Übrigens bringt die Kombination einer Stärkung der unteren Extremitäten mit dem Vibrationstraining bei Erwachsenen mit COPD signifikante positive kurzfristige Wirkungen auf die Trainingskapazität der Patienten. Schließlich war das kombinierte Vibrationstraining in einer aktuellen Studie aber nicht wirksamer als das alleinige Training zur Verbesserung der Muskelkraft der unteren Extremitäten, der Lungenfunktion und der Lebensqualität.




Referenzen:

1 Basierend auf den Auswertungen des St. George Respiratory Fragebogen

2 Entzündungszytokine wie Interleukin 8

3 wie das Hormon Irisin und der Transkriptionsfaktor Peroxisome Proliferator Rezeptor Gamma Co-Aktivator-1-alpha (PGC1a)


Literatur:

Berner K, Albertyn SCS, Dawnarain S, Hendricks LJ, Johnson J, Landman A, Burger M. The effectiveness of combined lower limb strengthening and whole-body vibration, compared to strengthening alone, for improving patient-centred outcomes in adults with COPD: A systematic review. S Afr J Physiother. 2020 Jun 11;76(1):1412. doi: 10.4102/sajp.v76i1.1412. PMID: 32671277; PMCID: PMC7343952.

Zhou J, Pang L, Chen N, et al. Whole-body vibration training – better care for COPD patients. A systematic review and meta-analysis. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis. 2018;13:3243–3254. Published 2018 Oct 10. doi:10.2147/COPD.S176229

Pleguezuelos E, Casarramona P, Guirao L, et al. How whole-body vibration can help our COPD patients. Physiological changes at different vibration frequencies. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis. 2018;13:3373–3380. Published 2018 Oct 18. doi:10.2147/COPD.S165058

Gloeckl R, Heinzelmann I, Kenn K. Whole body vibration training in patients with COPD: A systematic review. Chron Respir Dis. 2015 Aug;12(3):212-21. doi: 10.1177/1479972315583049. Epub 2015 Apr 22.

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