Donnerstag, März 28, 2024

Körper und Psyche behandeln: Seelisches Leiden und chronische Schmerzen

Schmerz gilt als unangenehmes, heftiges Sinnes- und Gefühlserlebnis, chronische Schmerzen beeinträchtigen die Psyche und verursachen seelisches Leiden.

Bei akutem Schmerz hat der sensorische Input eine klare Entsprechung und die therapeutische Konzentration auf den Gewebsschaden, der den sensorischen Input auslöst, ist durchaus sinnvoll. Hingegen hängen Chronische Schmerzen und Psyche beziehungsweise seelisches Leiden sehr stark zusammen. Deswegen tritt die sensorische Komponente in den Hintergrund und das emotionale Erleben gewinnt an Bedeutung. Oftmals können dann medizinische Befunde das Ausmaß und die Intensität der Schmerzen nicht mehr erklären.

Im Grunde genommen greift eine Therapie, die nur auf den vermeintlichen Gewebsschaden abzielt, hier zu kurz. Deswegen müssen Therapeuten chronische Schmerzen nicht nur die körperlichen Beschwerden sondern auch im Bereich der Psyche und auf sozialer Ebene behandeln. Dementsprechend müssen sie auch seelisches Leiden der Patienten in die Therapie miteinbeziehen.

Prinzipiell muss man chronischen und akuten Schmerz nicht nur durch ihre Dauer unterscheiden, sondern sie auch als zwei unterschiedliche Phänomene wahrnehmen. Schmerzen mit einer Schmerzdauer von drei bis sechs Monaten werden letztendlich als chronische Schmerzen bezeichnet.

 

Häufigkeit chronischer Schmerzen, seelisches Leiden und Somatisierung

Chronische Schmerzen kommen in der Allgemeinbevölkerung sehr häufig vor, man geht von etwa 15% aus, die häufigsten Fälle treten zwischen dem 45. und dem 65. Lebensjahr auf. Chronische Schmerzen von Muskeln und Skelett nehmen mit dem Alter zu, Kopfschmerzen nehmen hingegen eher ab.

Auch die soziale Situation hat beträchtlichen Einfluss: So ist ein niedriger sozioökonomischer Status mit einer höheren Wahrscheinlichkeit von Rückenschmerzen verbunden. Etwa zwei Drittel der chronischen Schmerzpatienten in einer Schmerzambulanz erfüllen die Kriterien einer »somatoformen Schmerzstörung«. Es geht jedoch nicht darum, von einem rein biologisch/sensorischen in ein rein psychogenes Schmerzmodell zu wechseln. Beim chronischen Schmerz spielen biologische, psychische und soziale Faktoren eine wesentliche Rolle.

Die Somatisierung ist ein prinzipielles Konzept für somatoformen Störungen, wobei Somatisierung als ein Krankheitsverhalten, bei dem psychosozialer Stress und seelisches Leiden in Form von körperlichen Symptomen wahrgenommen und kommuniziert wird.

Psychosozialer Stress kann durch aktuelle, soziale Belastungen, Konflikte oder Funktionsbeeinträchtigungen entstehen. Der Auslöser kann allerdings auch in der Vergangenheit liegen. So können traumatische Erlebnisse aus der Vergangenheit wieder aktualisiert werden und ein Somatisierungsverhalten auslösen. Daher ist es besonders wichtig, nach belastenden Kindheitserfahrungen oder traumatischen Erlebnissen in der Anamnese chronischer Schmerzpatienten zu fragen.

 

Dysfunktionale Kognitions-Emotions-Verhaltensmuster können chronische Schmerzen begünstigen

Dysfunktionale Kognitions-Emotions-Verhaltensmuster, wie sie bei Angststörungen oder affektiven Störungen vorkommen, können ebenfalls zur Chronifizierung von Schmerzen beitragen. Ein »katastrophisierender Attributionsstil« verstärkt das emotionale Schmerzerleben und erhöht somit den „Bedarf an Somatisierungsverhalten“. Ein »Angst-Vermeidungsverhalten« führt oft zum Verlust gesundheitsfördernden Verhaltens und kann damit ebenfalls zur Chronifizierung der Schmerzen beitragen.

Das Somatisierungsverhalten kann sich auch in der übermäßigen Einnahme von Schmerzmitteln oder anderen Medikamenten äußern. Der medikamenten­induzierte Kopfschmerz kann als Beispiel für dieses dysfunktionale Verhaltensmuster genannt werden. Oft ist ein »suppressives Verhaltensmuster« grundgelegt, bei dem besonders leistungsorientierte Patienten auf die eigenen körperlichen und psychischen Bedürfnisse zu wenig Rücksicht nehmen. Ständiges »Durchhalten« ohne entsprechende Erholungs- und Entspannungszeiten kann zum so genannten »Burn-out« führen.

Dysfunktionale Interaktionsmuster können den psychosozialen Stress noch weiter verstärken. Auch Schlafstörungen dürfen bei chronischen Schmerzen nicht außer Acht gelassen werden. Schlafentzugsexperimente konnten zeigen, dass vor allem bei Tiefschlafmangel die Schmerz­schwelle sinkt und so kann ein Teufelskreis entstehen: Wer Schmerzen hat, schläft schlechter und hat häufig einen fragmentierten Schlaf mit Tiefschlafmangel, dieser verstärkt wiederum das Schmerzerleben.




Literatur:

Sharp J, Keefe B. Psychiatry in chronic pain: a review and update. Curr Psychiatry Rep. 2005 Jun;7(3):213-9.

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