Donnerstag, März 28, 2024

Schmerzschrittmacher – elektrische Rückenmarkstimulation gegen Schmerzen

Der Schmerzschrittmacher ist eine elektrische Rückenmarkstimulation, die vor allem gegen chronische Schmerzen im Rücken effektiv ist.

Eine elektrische Rückenmarkstimulation, beziehungsweise Rückenmark-Hochfrequenzstimulation HF10, auch als Schmerzschrittmacher seit vielen Jahren bekannt, zeigt vor allem bei Rückenschmerzen in Studien eine gute Wirksamkeit, allerdings auch bei unterschiedlichen anderen chronischen Schmerzen.

 

Schmerzschrittmacher – Wirksamkeit mit 10.000 Hertz

Zahlreiche neue Forschungsergebnisse zur elektrischen Rückenmarkstimulation mit 10.000 Hertz belegen die Wirksamkeit dieser Form der Schmerztherapie. Der sogenannte Schmerzschrittmacher kann bei peripheren neuropathischen Schmerzen, hartnäckigen Beinschmerzen sowie anhaltenden Schmerzen nach Rückenoperationen die Beschwerden lindern.



Das Schmerzschrittmacher-Verfahren, die elektrische Rückenmarkstimulation, wirkt schon seit rund 40 Jahren erfolgreich bei chronischen Schmerzen. Vor einigen Jahren haben Forscher dann die Frequenz der elektrischen Impulse auf 10.000 Hertz (HF10) hinaufgesetzt. Die vielversprechenden Ergebnisse mit der Hochfrequenzstimulation aus der SENZA-Studie (2015) – der zulassungsrelevanten Vergleichsstudie – überzeugten. Die noch junge Behandlungsmethode erzielte besonders gute Ergebnisse bei Patienten mit unspezifischen Rücken- und Kreuzschmerzen, die nicht ins Bein ausstrahlen und sehr schwer zu behandeln sind.

Im Grunde genommen ist der Schmerzschrittmacher zwar keine Wundermethode, der starke chronische Schmerzen wegzaubert. Als Erfolg gilt es bei chronischen Schmerzen allerdings generell, wenn der Schmerz um 30 bis 50 Prozent zurückgeht. Wobei manche Patienten besonders gut auf die Schmerzschrittmacher-Behandlung ansprechen.

 

Schmerzschrittmacher-Implantation bei therapieresistenten Rückenschmerzen

Eine aktuelle Studie mit 66 Patienten, die an therapieresistenten Rückenschmerzen litten und für eine orthopädisch-chirurgische Operation nicht geeignet waren, zeigte die Wirksamkeit der Schmerzschrittmacher-Implantation.

Normalerweise gibt es für diese Patienten – abgesehen von Opioiden mit kombinierter multimodaler Therapie – kaum Behandlungsoptionen. Deswegen entschlossen sich nach erfolgreicher Probestimulation von 66 Probanden immerhin 45 Rückenschmerzen-Patienten zu einer Schmerzschrittmacher-Implantation. Die Erfolgs-Rate nach der Implantation betrug 84 Prozent.

Auf der Skala von 0 bis 10 lag die durchschnittliche Schmerzintensität zu Behandlungsbeginn bei 8,2. Bei der letzten Kontrolluntersuchung im Rahmen der Studie – durchschnittlich nach knapp einem Jahr – betrug sie nur mehr 2,5 Punkte. Der Opioidgebrauch sank bei mehr als der Hälfte (56 Prozent) der so behandelten Patienten.

Die Mehrheit der Patienten (57 Prozent) gab an, dass ihre Lebensqualität „besser“ oder „sehr viel besser“ sei. Fast 89 Prozent zeigten sich mit der Behandlung und deren Ergebnissen zufrieden. Denn auch Alltagsaktivitäten wie arbeiten gehen, den Einkauf ohne Unterstützung erledigen, Putzen, Kinder hochheben oder Sport waren wieder möglich.

 

Elektrische Rückenmarkstimulation HF10 wirkt auch, wenn die traditionelle Neurostimulation nicht effektiv ist

Eine andere, retrospektive US-amerikanische Studie (Ghosh) hat analysiert, ob der Schmerzschrittmacher HF10 jenen Patienten helfen konnte, die nicht auf herkömmliche Rückenmarkstimulation ansprachen. Die Ergebnisse deuten durchaus darauf hin, dass sie auch bei Patienten geeignet ist, bei denen die Wirkung der traditionellen Behandlung nach sechs Monaten nachlässt.



Die Forscher untersuchten insgesamt 32 Patienten, von denen die meisten (18) unter einem Failed Back Surgery Syndrome (FBSS) litten. Acht Probanden hatten ein komplexes regionales Schmerz-Syndrom (CRPS). Der Rest der Studienteilnehmer litten an anderen schmerzhaften Erkrankungen.

Grundsätzlich sprach Hälfte der Probanden ausgezeichnet auf die Schmerzschrittmacher HF10 an. Sie starteten mit einer durchschnittlichen Schmerzstärke von 8,7 auf der Skala von 0 bis 10, bei der letzten Kontrolluntersuchung nach sechs Monaten betrug diese nur mehr 3,2.

Die Subanalyse ergab, dass 12 von 17 der FBSS-Patienten moderate bis ausgezeichnete Responder waren. Der mit 100 begrenzte Oswestry Disability Index verbesserte sich im Schnitt von 58 Punkten (schwere Behinderung) auf 38 Punkte (mittelmäßige Behinderung). Mehr als die Hälfte der Behandelten (52,9 Prozent) gab bei der letzten Kontrolluntersuchung an, nur mehr minimal oder mäßig an Schmerzen zu leiden. Die Unteranalyse zum CRPS zeigte ähnlich gute Ergebnisse: 6 von 9 Patienten waren mäßige bis gute Responder.

 

Langfristige Erleichterung bei Polyneuropathie an Armen und Beinen

Der Schmerzschrittmacher HF10 scheint auch für die Behandlung chronischer peripherer neuropathischer Schmerzen effektiv zu sein, wie eine prospektive US-amerikanische Untersuchung zeigt. Dabei waren 26 Patienten eingebunden, die an peripheren Polyneuropathien der unteren oder oberen Gliedmaßen litten und eine Schmerzintensität von mindestens 5 auf einer Skala von 0 bis 10 angaben. 21 Patienten sprachen auf die Behandlung an, bei 18 wurden die Senza-Implantate tatsächlich eingesetzt – und das mit gutem Erfolg.

Zuerst betrug die Schmerzintensität zu Behandlungsbeginn 7,9 cm auf der zehn Zentimeter langen Visuelle Analogskala (VAS). Schließlich senkte sich dies bereits nach einem Monat auf 2,3 cm. Nach 24 Monaten lag die Schmerzstärke bei erträglichen 1,4 cm. Positiv fiel auch die Evaluation mit dem Pain Disability Index aus, der die Einschätzung der Beeinträchtigung des alltäglichen Lebens erlaubt. Schließlich erlebte mehr als die Hälfte der Patienten eine klinisch bedeutsame (MCID) Reduktion ihrer täglichen Beeinträchtigung.

 

Bei chronischen Beinschmerzen: 86 Prozent weniger Schmerzen durch die Rückenmarkstimulation

Eine prospektive, multizentrische australische Studie (Sullivan) ging schließlich der Frage nach, ob der Schmerzschrittmacher HF10 auch bei hartnäckigen Beinschmerzen hilft. In die vorläufige Zwischenauswertung der Studie eingeschlossen waren 15 Patienten mit besonders hartnäckigen chronischen Beinschmerzen, die bereits drei oder mehr Monate konservative Therapie ohne Erfolg durchlaufen hatten und für eine Rückenmarkstimulation geeignet waren. 11 von diesen 15 Patienten waren Responder mit einer durchschnittlichen Schmerzreduktion von 86 Prozent nach zwölf Monaten. 60 Prozent fanden ihren Gesundheitszustand verbessert, 40 Prozent sogar sehr verbessert.




Literatur:

Telkes L, Hancu M, Paniccioli S, et al. Differences in EEG patterns between tonic and high frequency spinal cord stimulation in chronic pain patients [published online ahead of print, 2020 May 7]. Clin Neurophysiol. 2020;131(8):1731‐1740. doi:10.1016/j.clinph.2020.03.040

Salmon J. High-frequency spinal cord stimulation at 10 kHz for widespread pain. A retrospective survey of outcomes from combined cervical and thoracic electrode placements. Postgrad Med. 2019 Apr;131(3):230-238. doi: 10.1080/00325481.2019.1587564. Epub 2019 Apr 1.

Sdrulla AD, Guan Y, Raja SN. Spinal Cord Stimulation: Clinical Efficacy and Potential Mechanisms. Pain Pract. 2018;18(8):1048‐1067. doi:10.1111/papr.12692

L. Kapural et al. Novel 10-kHz High-frequency Therapy ( HF10 Therapy ) Is Superior to Traditional Low-frequency Spinal Cord Stimulation for the Treatment of Chronic Back and Leg Pain. The SENZA-RCT Randomized Controlled Trial. Anesthesiology 10 2015, Vol.123, 851-860. doi:10.1097/ALN.0000000000000774.


Quelle: Österreichische Schmerzgesellschaft

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