Freitag, April 19, 2024

Schleimhautpemphigoid: Cicatricial Pemphigoid mit hohem Risiko

Ein Schleimhautpemphigoid, Cicatricial Pemphigoid, kann schwerwiegende Symptome verursachen, oft ist deswegen eine rasche und aggressive Therapie erforderlich.

Im Grunde genommen beschreibt der Begriff Schleimhautpemphigoid eine heterogene Gruppe von seltenen chronischen Autoimmunerkrankungen, die dazu tendieren, zu- und abnehmende bullöse Symptome der Schleimhäute zu verursachen, die eine komplexe Therapie notwendig machen. Dabei sind vorwiegend die Schleimhäute befallen, wobei es zu Blasen- sowie Narbenbildung kommen kann. Wobei dazu auch das okuläre Schleimhautpemphigoid (OCP = ocular cicatricial pemphigoid) am Auge gehört – einer seltenen, chronisch-fortschreitenden Autoimmunerkrankungen. Wenn die Augenmembranen betroffen sind, so bezeichnet man das als Augenpemphigoid. Das Risiko der Narbenbildung hängt vom Ort der Krankheitsaktivität ab. Wegen des Risikos schwerwiegender Komplikationen wie Erblindung und Atemdepression sollte man eine frühzeitige und aggressive Behandlung einleiten.

 

Cicatricial Pemphigoid

Die seltene, chronisch-fortschreitenden Autoimmunerkrankung kann nur die Haut, nur die Schleimhäute oder sowohl Haut als auch Schleimhäute betreffen. Wenn nur die Schleimhäute Symptome zeigen, dann bezeichnet man die Krankheit oft als Schleimhautpemphigoid. Wenn nur die Augenmembranen betroffen sind, spricht man von einem Augenpemphigoid.

Im Grunde genommen stellt die Erstdiagnose Cicatricial Pemphigoid für den Arzt eine große Herausforderung dar. Betroffen sind mehr Frauen als Männer, das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 66. Wobei laut einer rezenten retrospektiven Studie mit 162 Schleimhautpemphigoid-Patienten auch eine Augenbeteiligung haben.



 

Welche Körperregionen an Schleimhautpemphigoid erkranken

Ein Schleimhautpemphigoid im Mund verursacht sehr häufig Narben als wichtige Symptome. Dabei können alle Bereiche der Mundhöhle betroffen sein. Einschließlich der Mundschleimhaut, der Gingiva, der Zunge, der Zinnoberroten Lippen sowie des Gaumens. Die Krankheit kann sich aber auch auf den hinteren Rachen erstrecken.

Das klinische Erscheinungsbild umfasst Blasen, Erosionen und Geschwüre sowie die desquamative Gingivitis. Die desquamative Gingivitis (DG) ist weniger eine Diagnose als eine klinische Beschreibung dür ein „sich schälendes Zahnfleisch“ (peeling gum). Zu den häufigsten Auslösern von Symptomen gehört eben das benigne vernarbende Schleimhautpemphigoid. Dabei können betroffene Patienten beim Zähneputzen Schmerzen oder Blutungen haben. Schließlich können Langzeitentzündungen und Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung der Mundhygiene zu Karies und zum Verlust von Zähnen führen.

 

Augenpemphigoid: Cicatricial Pemphigoid der Augenschleimhaut

Das Cicatricial Pemphigoid der Augenschleimhaut, ein Augenpemphigoid, ist häufig fortschreitend, wobei die Narbenbildung eine Erblindung verursachen kann. Im Grunde genommen kann die Entzündung langsam fortschreiten. Dann leidet der Patient an unspezifischen Symptomen einer Augenreizung wie Brennen oder übermäßiges Zerreißen. Die Krankheit kann anfangs in einem Auge auftreten. Im Laufe einiger Jahre sind aber typischerweise beide Augen betroffen.

In seltenen Fällen treten bei Patienten offene Blasen auf. Of kommt es früh zur Narbenbildung. Verschiedene Details kann man erkennen, wenn man das untere Augenlid herunterzieht und den Patienten nach oben schauen lässt. Im Endstadium vernarbt der gesamte Bindehautsack (Ankyloblepharon). Dies führt zu einer chronischen Entzündung der Bindehaut, was schließlich die Sehschärfe vermindern kann.


Differenzialdiagnosen zu Schleimhautpemphigoid, Cicatricial Pemphigoid

Bullöses Pemphigoid tritt meist zwischen 65 und 75 Jahren. Die betroffene Haut zeigt sich als angespannte Blase auf einem normalen oder urtikariellen Hintergrund, seltener auf der Mundschleimhaut. Die Läsionen verursachen keine Narben, normalerweise wirken Steroide.

Epidermolysis bullosa acquisita (EBA) präsentiert sich klinisch vor allem mit nichtentzündlichen, angespannten Blasen. Diese bilden sich auf Streckoberflächen und werden normalerweise durch Reibung oder Trauma ausgelöst. Häufig sind die Hände, die Ellbogen, das Knie und das Gesäß betroffen. Wobei die Blasen mit Narben und Milienbildung heilen. Die Epidermolysis bullosa acquisita ist therapieresistent.

Die Lineare bullöse IgA-Dermatose präsentiert sich mit unterschiedlichen Symptomen und variiert und kann bullöses Pemphigoid, Dermatitis herpetiformis und cicatriciales Pemphigoid imitieren. Es kann eine orale und weniger wahrscheinliche Augenbeteiligung haben.

Bullöser systemischer Lupus erythematodes ist eine Autoimmunerkrankung bei Patienten mit systemischem Lupus. Die erythematösen Makulae, Plaques und Bullae, die in sonnenexponierten Bereichen auftreten, führen normalerweise nicht zu Narben. Auch orale Verletzungen sind möglich.

Paraneoplastischer Pemphigus ist eine seltene Autoimmunerkrankung, die mit Krebs, am häufigsten Non-Hodgkin-Lymphom und chronischer lymphatischer Leukämie, assoziiert ist. Es entstehen schmerzhafte und erosive Stomatitis und polymorphe Hautläsionen, die bullösen Pemphigoid-, Lichen planus- oder Erythema multiforme ähneln können. Indirekte Immunfluoreszenz auf der Harnblase von Nagetieren kann Autoantikörper im Serum nachweisen, die gegen Plakin-Proteine ​​gerichtet sind. Dies ist schnell fortschreitend und führt häufig zum Tod.

Das pseudo-okulare cicatriciale Pemphigoid – eine Nachahmung des cicatricialen Pemphigoid – ist eine seltene Komplikation bei der Verwendung von medikamentösen Augentropfen zur Behandlung von Glaukomen. Nach Absetzen der Augentropfen  gehen die Symptome zurück.



 

Schwere Komplikationen

Eine Beteiligung der Nasenareale ist seltener. Das Cicatricial Pemphigoid kann sich allerdings als verkrustete Nasenläsionen, Epistase oder chronische Sinusitis präsentieren. Adhäsionen und Narben können zu Atemwegsobstruktionen sowie  Schlafapnoe führen. Eine Larynxbeteiligung kann wiederum Halsschmerzen oder Heiserkeit hervorrufen.

Übrigens sehen Experten die Tracheotomie als lebensrettende Maßnahme bei Patienten mit schwerer Erkrankung, wenn es zu einer Beeinträchtigung der Atemwege kommt. Eine Beteiligung der Speiseröhre kann als Schmerz, Dysphagie, Odynophagie und Stenose auftreten.

Schließlich ist das Cicatricial Pemphigoid der Genital- und Analschleimhaut sehr selten. Erosionen und Geschwüre können zu erheblichen Beschwerden der Genitalhaut führen. Narbenbildung kann zur Verengung der Harnröhre und der Vaginalöffnung führen. Eine Stenose dieser Strukturen kann wiederum einen chirurgischen Eingriff erfordern, um die Funktion wiederherzustellen. Die häufigsten Symptome einer Analbeteiligung sind Schmerzen und Krämpfe.

 

Schleimhautpemphigoid und Hautläsionen

Hautläsionen treten als Symptome beim Schleimhautpemphigoid in zwei klinischen Präsentationen auf. Der erste Subtyp präsentiert sich als ein allgemeinerer Ausbruch von angespannten Blasen ohne Narben. Der zweite Subtyp präsentiert Symptome in Form von Blasen auf einer erythematösen Basis, die in lokalisierten Bereichen auftreten und zu atrophischen Narben durch das Schleimhautpemphigoid führen. Dies betrifft am häufigsten den Kopf- und Halsbereich. Eine Erkrankung der Kopfhaut führt oft zu Alopezie.

 

Mit verschiedenen topischen und systemischen Therapien das Schleimhautpemphigoid behandeln

Bei leichten Erkrankungen der Mundschleimhaut und der Haut können durchaus topische Therapien gegen das Schleimhautpemphigoid ausreichen. Dabei können die Patienten die topischen Steroide mit mäßiger bis hoher Potenz in Gel- oder Salbenform anfänglich 2 bis 3 Mal pro Tag anwenden. Das sollte man dann je nach Ansprechen des Patienten langsam verringern.

Um die Wirksamkeit topischer Therapien bei Schleimhautpemphigoid zu verbessern, kann es hilfreich sein, den Bereich vor der Anwendung von Medikamenten gut abzutupfen. Damit soll die Feuchtigkeit entfernt werden. Betroffene können Gel oder Salbe mit einem Finger oder Wattestäbchen auftragen und 30 Sekunden lang sanft in die betroffenen Bereiche einreiben. Wobei die Patienten nach der Anwendung 30 Minuten lang nichts essen oder trinken sollten, um die Resorption zu erhöhen.

Calcineurininhibitoren wie Tacrolimus wendet man ebenfalls als topische Therapieoption an. Komplikationen bei der Langzeitanwendung topischer Steroide sind selten. Eine kutane Anwendung kann allerdings zu Hypopigmentierung und Atrophie führen. Obwohl diese nachteiligen Wirkungen in den Schleimhäuten nicht häufig auftreten, ist das Risiko einer oralen Candidiasis und einer Herpes-simplex-Reaktivierung besorgniserregend.

Bedeutung der Mundpflege

Neben topischen Therapien hat die Mundpflege als kritischer Bestandteil der Therapie des Schleimhautpemphigoids der Mundschleimhaut einen wichtigen Stellenwert. Hierzu sollte man die Zähne zweimal täglich mit einer weichen Zahnbürste zu putzen. Zudem sollten Patienten täglich Zahnseide verwenden und alle 3 bis 6 Monate zum Zahnarzt gehen.

 

Dapson und systemische Kortikosteroide

Wenn bei leichten bis mittelschweren Erkrankungen die topischen Behandlungen nicht wirken, so kann man die Therapie mit Dapson versuchen. Bei diesem Wirkstoff mit antibiotischer und entzündungshemmender Wirkung reicht oft die typische Dosis von 50 bis 200 mg täglich aus. Zusätzlich zu Dapson kann der Arzt systemische Kortikosteroide verschreiben.

Bei leichter bis mittelschwerer Augenbeteiligung können systemische Kortikosteroide (Prednison 1 bis 2 mg / kg / Tag) allein oder in Kombination mit Dapson in Betracht gezogen werden. Die richtige Augenpflege ist wichtig. Da das Augenpemphigoid häufig mit trockenen Augen auftritt, wird die häufige Verwendung von Gleitmitteln in Form von künstlichen Tränentropfen oder Salben auf Petrolatum-Basis empfohlen. Das Entfernen von überschüssigem Exsudat aus den Augen beugt sekundären bakteriellen Infektionen vor.

 

Prednison plus zusätzliches Immunsuppressivum

Bei schweren oder schnell fortschreitenden Erkrankungen der Augen-, Nasen-Rachen- oder Anogenitalschleimhaut sollte man eine Kombinationstherapie mit dem systemischen Kortikosteroid Prednison (1 bis 2 mg / kg / Tag) plus einem zusätzlichen Immunsuppressivum einleiten. Geeignete wirksame Immunsuppressiva hierzu sind das Azathioprin (1 bis 2 mg / kg / Tag), Mycophenolatmofetil (2 bis 2,5 g / Tag) sowie Cyclophosphamid (1 bis 2 mg / kg / Tag).

 

Alternativen

Die adjuvante immunsuppressive Therapie des Schleimhautpemphigoids soll dabei helfen, dass man das Prednison über einen Zeitraum von 6 bis 12 Monaten verringern kann.

Intravenöses Immunglobulin brachte Erfolge bei der Behandlung von Narbenpemphigoid. Tumornekrosefaktor-Alpha-Hemmer wurden bei der Behandlung von cicatricialem Pemphigoid eingesetzt.

Auch das Rituximab ist eine Option für die adjuvante Schleimhautpemphigoid-Behandlung. Die aktuellen Ergebnisse einer rezenten Studie legen nahe, dass Rituximab einer weiteren Narbenbildung und dem Fortschreiten der Erkrankung bei Schleimhautpemphigoid-Patienten verhindern kann. Und zwar insbesondere dann, wenn man den Wirkstoff früh verabreicht.

 

Zusammenfassung

Das Schleimhautpemphigoid beziehungsweise Cicatricial Pemphigoid ist eine schwerwiegende Erkrankung. Sie ist fortschreitend und kann zahlreiche Funktionsstörungen vieler Organe, einschließlich Blindheit, verursachen.

Die meisten Schleimhautpemphigoid-Patienten brauchen hochdosierte Steroide und andere biologische Wirkstoffe zur Therapie, um die Symptome verhindern zu können. Allerdings haben alle diese Wirkstoffe eine Reihe von Nebenwirkungen, die ebenfalls problematisch sind und eine angepasstes Management erfordern.

Unter dem Strich ist leider die Lebensqualität der Patienten mit Schleimhautpemphigoid sehr schlecht. Außerdem kommt es oft zum vorzeitigen Tod aufgrund von schweren Komplikationen.




Literatur:

Schonberg S, Stokkermans TJ. Ocular Pemphigoid. In: StatPearls. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; August 15, 2020.

Amir Dastmalchi D, Moslemkhani S, Bayat M, et al. The efficacy of rituximab in patients with mucous membrane pemphigoid [published online ahead of print, 2020 Aug 11]. J Dermatolog Treat. 2020;1-7. doi:10.1080/09546634.2020.1801974

Leila Tolaymat, Matthew R. Hall. Cicatricial Pemphigoid. StatPearls [Internet]. November 17, 2019.

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