Dienstag, April 16, 2024

Smartphone statt Schlafpolygraphie, um die Atmung im Schlaf zu überwachen

Seit langem wendet man die Schlafpolygraphie an, um die Atmung im Schlaf zu überwachen, stattdessen soll hier zukünftig das Smartphone helfen.

Über die Hälfte der Bevölkerung besitzt heute ein Smartphone. Die technischen Möglichkeiten dieser hochtechnisierten Variante eines Mobiltelefons gehen weit über die reine Telefonie und SMSen hinaus und bieten ein enormen Funktionsumfang. Denn diese Minicomputer verfügen über etliche Sensoren, die prinzipiell für die Messung von Körperfunktionen verwendet werden könnten. Tatsächlich erfreut sich die Überwachung des eigenen Körpers mit dem Smartphone wachsender Beliebtheit. Beim „Self-Tracking“ liegt der Fokus meist auf der Kontrolle und Verbesserung der körperlichen Fitness oder der Ernährungsoptimierung. Doch auch in der Medizin gibt es eine wachsende Zahl an Untersuchungen, die in der häuslichen Umgebung des Patienten durchgeführt werden. Dazu gehört auch das Schlafverhalten. Denn heutzutage kann man statt mittels Schlafpolygraphie die Atmung im Schlaf mit dem Smartphone überwachen.

 

Schlaf-Monitoring durch das Smartphone statt Schlafpolygraphie, um eine obstruktive Schlafapnoe erkennen

Mittlerweile sind 24-Stunden-Messungen des Blutdrucks oder der Herzfunktion (Langzeit-EKG) etabliert. In der Schlafmedizin bedient man sich der sogenannten Schlafpolygrafie, um Hinweise auf Schlafstörungen zu erhalten. Hierbei handelt es sich um ein kleines Gerät mit verschiedenen Messsonden, das dem Patienten nach einer Einweisung in der Praxis mitgegeben wird. Vor dem Zubettgehen legt er den Polygrafen an und aktiviert die Aufzeichnung, die bis zum nächsten Morgen fortgeführt wird. Hiermit möchte man insbesondere feststellen, ob eine obstruktive Schlafapnoe vorliegt.

Bei dieser ernsthaften Erkrankung aus dem Formenkreis der schlafbezogenen Atemstörungen kommt es zu wiederholten Atemaussetzern oder Phasen der Minderatmung mit Abfall der Sauerstoffkonzentration im Blut. Das kann zu Tagesmüdigkeit, Sekundenschlaf, Leistungsschwund, Vergesslichkeit, Stimmungsschwankungen und Depressionen führen. Noch gravierender ist das drei- bis vierfach erhöhte Risiko für lebensbedrohliche Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Zwei bis vier Prozent der Erwachsenen sind von einer obstruktiven Schlafapnoe betroffen.

Die auf dem Markt verfügbaren Geräte zum Schlafapnoe-Screening messen, je nach Bauart, vier bis sechs unterschiedliche Parameter; es werden aber auch 1-Kanal-Screeninggeräte angeboten. Prinzipiell können einzelne dieser Parameter auch mit der Sensorik eines marktüblichen Smartphones erfasst werden.

Zur Überprüfung der Realisierbarkeit eines Schlaf-Monitorings mithilfe eines Smartphones wurden Untersuchungen an freiwilligen Probanden durchgeführt. Hierbei wurden Audioaufzeichnungen vom Atemgeräusch des Schläfers und die Daten von G-Sensor und Gyroskop des Smartphones ausgewertet.

Langzeitaufnahmen des Atem- und Schnarchgeräusches waren mit dem Smartphone problemlos möglich. Die Frequenzspektren von Apnoen, ruhigen Atemzügen und Schnarchen zeigten zwar individuelle aber charakteristische Unterschiede und können nach personenbezogener Kalibrierung für eine Identifikation von Atemaussetzern und zur Quantifizierung des Schnarchens verwendet werden. Die Analyse der linearen und rotatorischen Beschleunigungen erlaubt eine zuverlässige Bestimmung der Körperlage in jeder Schlafphase.

 

Schlafpolygraphie versus Smartphone beim Schlaf-Monitoring

In verschiedenen Untersuchungen konnte das Smartphone selbst Atembewegungen von Brustkorb und Bauch detektieren. In der Kombination mit den akustischen Messungen kann man so auch Atempausen identifizieren. Die in Smartphones verbauten Sensoren sind mit der Hardware von Medizinprodukten qualitativ nicht vergleichbar.

Sie sind gekennzeichnet durch limitierte Abtastrate und Auflösung, Messwertstreuung und Baselinedrift. Dies erschwert die Analyse des erhobenen Datenmaterials und erfordert eine vorsichtige Interpretation. Smartphones werden daher die Schlafpolygrafie mittelfristig nicht ersetzen, aber für ein Low-Cost-Screening oder Schlaf-Verlaufs-Monitoring im häuslichen Umfeld sinnvoll eingesetzt werden können.


Literatur:

Lyon G, Tiron R, Zaffaroni A, Osman A, Kilroy H, Lederer K, Fietze I, Penzel T. Detection of Sleep Apnea Using Sonar Smartphone Technology. Annu Int Conf IEEE Eng Med Biol Soc. 2019 Jul;2019:7193-7196. doi: 10.1109/EMBC.2019.8857836. PMID: 31947494.


Quelle:

Statement von Dr. med. Martin Leinung, Leitender Oberarzt; Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum der Goethe-Universität, Frankfurt/Main, 87. Jahresversammlung der DGHNO-KHC, 2016.

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