Samstag, April 20, 2024

Prokrastination betrifft vor allem junge Menschen

Prokrastination – Aufschieberitis – geht mit Stress, Depression, Angst, Einsamkeit und Erschöpfung einher. Vor allem männliche Schüler und Studierende sind betroffen.

Wer kenn es nicht, dass unangenehme Tätigkeiten lieber ein wenig aufschieben als sofort zu erledigen. Dazu gehören beispielsweise Lernen vor Prüfungen, Aufgaben machen, Abarbeiten von Post, Steuererklärung und vieles mehr.  Wenn dieses Aufschieben jedoch ein solches Ausmaß an, dass die Betroffenen erheblich darunter leiden und dass schwerwiegende negative Folgen in Ausbildung oder Beruf drohen, leiden die Betroffenen an Prokrastination, der Aufschieberitis.

In einer Studie mit tausenden Universitätsstudenten stellten nun Wissenschaftler einen Zusammenhang zwischen Prokrastination und einer ganzen Reihe schlechter Ergebnisse her, darunter Depressionen, Angstzustände und sogar behindernde Armschmerzen. Die Untersuchung ist eine der bisher größten, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Prokrastination und Gesundheit befasst.



 

Prokrastination, Aufschieberitis, bezeichnet ein krankhaftes Aufschieben beziehungsweise Aufschiebeverhalten. Das permanente Aufschieben wird von den Betroffenen selbst und aber auch in ihrem Umfeld als Willensschwäche oder als Faulheit angesehen. Prokrastination hat aber nicht beispielsweise mangelnde Willensschwäche oder Faulheit als Ursachen. Es ist ein ernsthaftes Problem der Selbststeuerung, für das es professionelle psychologische Hilfe gibt.

 

Repräsentative Erhebung zu Prokrastination

Betroffene Personen fühlen sich der Prokrastination ausgeliefert, Hilfestellung bieten Psychologen und sogenannte Prokrastination-Ambulanzen. Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz haben unlängst die Verbreitung und Risikomerkmale für Prokrastination in der deutschen Bevölkerung untersucht und dazu eine Studie veröffentlicht.

Ursachen für Prokrastination sind nicht durch Willensschwäche oder Faulheit. Sondern es besteht ein ernsthaftes Problem der Selbststeuerung. Zum Glück gibt es dafür professionelle psychologische Hilfe!

Die Repräsentativ-Erhebung zeigte, dass speziell erwachsene Menschen, die Tätigkeiten häufig aufschieben (also bei denen Prokrastination bzw. Aufschieberitis ausgeprägt sind), seltener in Partnerschaften lebten, häufiger arbeitslos waren und über ein geringes Einkommen verfügten. Prokrastination ist aber vor allem bei männlichen Schülern und Studierenden häufig.

Die Studie bestätigt, dass ausgeprägtes Aufschiebeverhalten von wichtigen Tätigkeiten mit Stress, Depression, Angst, Einsamkeit und Erschöpfung einhergeht sowie die Lebenszufriedenheit verringert.

 

Phänomen Prokrastination weit verbreitet

Insbesondere viele jungen Menschen schieben und verschieben geplante Handlungen immer wieder vor sich her. Fachleute nennen dieses weit verbreitete Phänomen Prokrastination. Deutsche Wissenschaftler haben unlängst mittels der beschriebenen interdisziplinären Befragung die Verbreitung und Risikomerkmale für Prokrastination in der deutschen Bevölkerung untersucht.



Es zeigte sich, dass jene Betroffene, die wichtige Tätigkeiten meist aufschoben, häufiger als Single lebten, vermehrt von Arbeitslosigkeit betroffen waren, über ein geringes Einkommen verfügten und insbesondere unter männlichen Schülern oder Studierenden zu finden waren. Negative und dem Aufschiebenden durchaus bekannte Begleiterscheinungen dieses Verhaltens waren zumeist Stress, Depression, Angst, Einsamkeit und Erschöpfung.

Im Volksmund gilt die Weise „Was Du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!“ Doch dieser Appell verhallt im Alltag vieler Menschen häufig.

 

Pflicht ist negativ und das Gegenteil von Spaß

Jeder weiß: Das Leben besteht aus Rechten und Pflichten. Der Begriff „Pflicht“ ist jedoch häufig negativ besetzt, das Gegenteil von Spaß und damit zumindest kurzfristig betrachtet nicht von erstrebenswertem Nutzen. Zumal es ja scheinbar wesentlich attraktivere und vermeintlich ebenso wichtige Dinge zu tun gibt.

Doch so zu denken und zu handeln kann sich langfristig als Fehler herausstellen. Denn die Vermeidung einer unangenehmen Tätigkeit zieht häufig ein weiteres Umgehen dieser oder anderer negativ empfundener Aufgaben nach sich. Mit der Zeit bildet sich dann ein erlerntes, nicht unproblematisches Verhaltensmuster heraus: Prokrastination.

 

Warum vor allem für junge Menschen in Schule oder Studium betroffen sind

Offenbar gibt ein Beschäftigungsverhältnis eine feste Struktur und Orientierung. Ein Studium erfordert hingegen mehr Selbstorganisation und -disziplin. Doch junge Menschen befinden sich in einem Alter, in dem sie die Zeit als scheinbar unbegrenzt empfinden und ihnen vielfach Gewissenhaftigkeit nicht so wichtig ist. Sie leben in dem Gefühl, dass ihnen das Leben und eine Zukunft offen stehen, die ihnen schier unzählige und vielfältigste Möglichkeiten und Chancen bieten.

Der Studienanfänger sieht sich beispielsweise vor die Wahl aus tausenden Studiengängen gestellt. Zudem sind Erwerbsbiographien weniger geradlinig und planbar geworden. Beides kann viele Menschen überfordern und zu einer Prokrastination beitragen.




Literatur:

Johansson F, Rozental A, Edlund K, Côté P, Sundberg T, Onell C, Rudman A, Skillgate E. Associations Between Procrastination and Subsequent Health Outcomes Among University Students in Sweden. JAMA Netw Open. 2023 Jan 3;6(1):e2249346. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2022.49346. PMID: 36598789; PMCID: PMC9857662.

Beutel, M. E., Klein, E. M., Aufenanger, S., Brähler, E., Dreier, M., Müller, K.W., Quiring, O., Reinecke, L., Schmutzer, G., Stark, B., Wölfling, K. (2016). Procrastination, Distress and Life Satisfaction Across the Age Range – A German Representative Community Study. PLOSONE. [in press]. DOI: 10.1371/journal.pone.0148054


Quelle: Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz

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