Freitag, April 19, 2024

Posttraumatische Belastungsstörung und ihre Symptome behandeln

Der Alltag einer Patientin mit posttraumatischer Belastungsstörung bedeutet Umgang mit Symptomen wie Stress, Flashbacks, Unbehagen sowie Hoffnung.

Unter dem Strich erleben Patienten mit einer posttraumatischen Belastungsstörung häufig Alpträume und erschreckende Flashbacks. Denn traumatisierende lebensbedrohliche Ereignisse hinterlassen oft emotionale Narben, die wie physische Narben den Betroffenen lebenslang erhalten bleiben. Obwohl man normalerweise nach einem Trauma eine natürliche Heilungsphase durchmacht, sind für manche Menschen die emotionalen Narben zu tief. Dementsprechend verlieren sie ihre Fähigkeit, normal zu funktionieren beziehungsweise den Alltag zu meistern.

 

WHO: Millionen leiden an einer posttraumatischen Belastungsstörung

Eine aktuelle Umfrage der Weltgesundheitsorganisation ergab, dass fast 4 Prozent der Weltbevölkerung an einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden. Die zugrunde liegenden Faktoren, die zur Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung führen, sind komplex und noch weitgehend unerforscht. Aber, wie neue Forschungsergebnisse ergaben, gelangt die Wissenschaft zunehmend zu einem besseren Verständnis. Zum Beispiel, stellte man fest, dass Vererbung eine Rolle spielen könnte.

 

Interview mit einer 23-jährigen Betroffenen

Unlängst hatte das US-Journal Medical Daily die Möglichkeit, mit Ruska – einer 23-jährigen amerikanischen College-Studentin – zu sprechen. Sie erkrankte an einer posttraumatischen Belastungsstörung, nachdem sie die meiste Zeit ihres Lebens wiederholt körperlichem, sexuellem und emotionalem Missbrauch ausgesetzt war.

Ruska wollte ihre wahre Identität hinter einem anderen Namen verbergen. Sie wollte mit ihren Informationen aus erster Hand darauf aufmerksam machen, was es heißt, mit einer posttraumatischen Belastungsstörung zu leben. Sie will damit helfen, das mit der Krankheit einhergehende Stigma zu beseitigen, sowie anderen Menschen, die damit leben müssen, Hoffnung zu geben.

 

Was waren die ersten Symptome deiner posttraumatischen Belastungsstörung  und wann wurden sie diagnostiziert?

Ich habe die Symptome meiner posttraumatischen Belastungsstörung schon so lange, wie ich denken kann. Ein Großteil meiner Traumata beruht auf extremen Missbrauch durch meine Eltern während meiner frühesten Jugend. Ich musste sexuellen, körperlichen, emotionalen und geistigen Missbrauch sowie völlige Vernachlässigung erleben. Danach wurde ich mehrfachvergewaltigt. Sechs Mal während meiner Collegezeit. Und seit meinem High School Abschluss bin ich immer wieder obdachlos.

Als ich 12 war, löste ein Schulkollege einen Flashback bei mir aus. Ich war in der fünften Klasse und er kam zu mir und sprach mit mir über Sex. Er erzählte, dass irgendjemand aus meiner Klasse ein Mädchen im Wald missbraucht hätte. Ich verstand eigentlich zuerst überhaupt nicht, wovon er sprach. Aber mit seiner Erzählung holte er den ganzen Missbrauch wieder an die Oberfläche, den ich unterdrückt hatte.

Danach konnte ich für eineinhalb Monate nicht mehr schlafen oder das Haus verlassen. Ich weinte ununterbrochen. Meine Eltern brachten mich schließlich zu einem Therapeuten. Da sie aber natürlich nicht wollten, dass ihr Missbrauch aufgedeckt wird, dauerten diese Besuche nicht sehr lange. Ich durfte zu keinem Therapeuten mehr gehen, bis man mich in meinem ersten Jahr am College nach einem sexuellen Übergriff auf dem Campus zu einer Therapie schickte. Dort diagnostizierte man das erste Mal meine Krankheit.

 

Wie wirkt sich dein Zustand auf das Alltagsleben aus?

Es ist wirklich schwer. Ich musste aus gesundheitlichen Gründen die Schule verlassen, weil mein Gedächtnis nicht funktionierte. Es kam zu dem Punkt, dass ich völlig nüchtern Blackouts hatte. Ich konnte mich nicht einmal mehr daran erinnern, Menschen getroffen und mit ihnen gesprochen zu haben. Auch nicht d was ich getan hatte. Ich verlor die Fähigkeit zu verarbeiten, was Leute sagten.

So saß ich beispielsweise in der Klasse und der Professor sprach, aber die Worte waren für mich durcheinander. Ich versuchte, mir Notizen zu machen. Aber als er auf halbem Weg durch den Satz war, konnte ich mich nicht einmal erinnern, wie die erste Hälfte des Satzes lautete. Ich habe auch eine wirklich schlechte Dissoziation. Das ist eines der wichtigsten Symptome, die meinem Therapeuten bestätigten, dass ich unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Ich war völlig außerhalb meines Körpers und schaute auf mich selbst herab.

 

Was sind die physischen Auswirkungen einer posttraumatischen Belastungsstörung?

Ich leide an Morbus Crohn, Fibromyalgie, Zöliakie, Ischias sowie chronischer Müdigkeit. Schon in der High School entwickelte ich eine Essstörung, die mich öfters ins Krankenhaus brachte. Später wurde ich über viele Jahre zu einer extremen Alkoholikerin. Bis zu dem Punkt, an dem ich ungefähr fünf Mal pro Woche ein Blackout hatte. Durch den Alkoholkonsum versuchte ich, gleichzeitig etwas zu fühlen und etwa zu betäuben.

Weil ich so große Schmerzen hatte, aber andererseits keine Gefühle entwickelte. Weil weiterer Missbrauch rund um Alkohol passierte und fast alle meine Vergewaltiger Alkoholiker waren, ist Alkohol immer ein Auslöser. Es reicht mir, nur an das Trinken zu denken. Das ist auch der Grund, warum ich nicht wirklich mehr trinke.

 

Was hilft dir, mit der posttraumatischen Belastungsstörung umzugehen?

Ich nehme Zolpidem ein (ein Schlafmittel), mittlerweile in der höchsten Dosierung. Und ich wache immer noch mit dem Terror auf – es ist wirklich schlimm für mich. Ich mag es nicht nehmen, weil es mich am Morgen wirklich groggy macht, was dann wieder zu Depressionen führt.

Immer und immer wieder darüber zu reden, was passiert ist, hilft am besten. Ich weiß, dass viele Therapeuten glauben, dass das nicht darüber zu sprechen, der einfachste Weg wäre, weiter zu machen. Aber nach meiner Erfahrung erlaubt mir ein Gespräch über das, was ich durchgemacht habe, zu realisieren, was passiert ist.

Es ist ein Trigger und erlebe die Ereignisse noch einmal. Ich habe immer wieder Flashbacks. Aber ein Teil von mir glaubt nicht, dass es wirklich passiert ist. Darüber zu reden und über meine Gefühle zu reden hilft mir, zu realisieren, dass es passiert ist. Ich kann akzeptieren, dass es passiert ist und um damit abschließen. Dies und zusätzliche Übungen sind eine große Hilfe dabei, etwas von meinen Emotionen und meiner Energie, die in mir gefangen sind, frei zu lassen.

Ich nehme Cannabis als Medikament. Das hilft mir sehr. Ich nehme nur sehr wenig auf einmal, weil zu viel davon Angststörungen auslösen könnte. Aber es hilft sehr bei Müdigkeit und Appetitlosigkeit. Es hilft, mich zu erden, wenn ich wieder starke Angst bekomme, dass ich mich aus meinem Körper entferne. Schließlich hilft es mir auch sehr bei meinen physischen Symptomen.

 

Was möchtest du, dass Menschen ohne einer posttraumatischen Belastungsstörung verstehen sollten?

Ich bin wirklich froh, dass Sie darüber schreiben. Denn ich das Gefühl habe, dass viele Leute da draußen PTSD überhaupt nicht verstehen. Durch solche Veröffentlichungen hoffe ich, dass die Menschen vielleicht mehr über diese Erkrankung nachdenken.

Auch der VA (United States Department of Veterans Affairs) und die Veteranen zeigen PTSD verstärkt auf. Aber es gibt große Unterschiede. Ich habe Freunde, die unter einer posttraumatischen Belastungsstörung durch ein Kriegserlebnis leiden. Ich habe aber auch Freunde, die an einer posttraumatischen Belastungsstörung aufgrund eines Missbrauchs leiden.

Deswegen würde ich meinen, dass die beiden Varianten sehr unterschiedlich sind. Allerdings ist es einfach nicht zu beschreiben, wenn man es nicht es durchgemacht hat. Ich glaube es gibt viele Vorurteile und ich bin froh über jede Veröffentlichung.

 

Gibt es etwas, was du anderen Betroffenen sagen möchtest?

Es gibt keine schnelle Lösung. Aber habt Geduld mit der Krankheit und mit euch selbst. Nicht viele Menschen werden euch verstehen, aber alles, was ihr erlebt ist normal. Was auch immer passiert ist, es war nicht eure Schuld! Schließlich wird es auch ganz sicher besser werden. Auch an den Tagen, wenn es ist nicht wirklich danach aussieht.


Literatur:

Carvajal C. Posttraumatic stress disorder as a diagnostic entity – clinical perspectives. Dialogues Clin Neurosci. 2018 Sep;20(3):161-168.

Sparks SW. Posttraumatic Stress Syndrome: What Is It? J Trauma Nurs. 2018 Jan/Feb;25(1):60-65. doi: 10.1097/JTN.0000000000000343. PMID: 29319653.

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