Donnerstag, März 28, 2024

Patienten mit postoperativen Schmerzen werden oft unzureichend behandelt

Patienten nach Operationen erhalten oft zu geringe Schmerzmittel-Mengen gegen die postoperativen Schmerzen. Deswegen können sie in Folge chronische Schmerzen entwickeln.

Internationalen und nationalen Patientenbefragungen zufolge leiden ein Viertel der OP-Patienten unter starken postoperativen Schmerzen. Dementsprechend ordnen sie sich auf einer Skala von 0 bis 10 bei 7 ein. Tatsächlich steht die 0 für keine und 10 für sehr starke Schmerzen.

Problematisch dabei ist neben dem Leid der Patienten vor allem auch, dass in Folge der Unterbehandlung chronischen Schmerzen entstehend können. Deswegen ist es sehr wichtig, Risikofaktoren für eine Schmerz-Chronifizierung rechtzeitig zu identifizieren, um gezielt eine adäquate Therapie einzuleiten. Die aktive Einbindung der Patienten ist im Kampf gegen die postoperativen Schmerzen ebenfalls sehr wichtig.



 

Sehr häufig unterschätzt man die postoperativen Schmerzen

Patienten mit postoperativen Schmerzen erhalten leider nach einem chirurgischen Eingriff trotz aller Fortschritte nach wie vor nicht immer eine ausreichende effektive Schmerztherapie. Sehr häufig unterschätzt das behandelnde Personal, mit welcher hohen Frequenz und Intensität die postoperativen Schmerzen bei manchen Patienten auftreten können.

Das ist auch deshalb problematisch, weil solche unzureichend behandelten postoperativen Schmerzen auch dauerhafte Beschwerden nach sich ziehen können. Ein Beispiel dafür sind Kaiserschnitte, die die Hitliste schmerzhafter Prozeduren anführen. Das Risiko, nach einem solchen Eingriff an chronischen Schmerzen zu leiden, liegt bei fünf bis zehn Prozent.



 

Risikofaktoren erkennen von besonderer Bedeutung

Deswegen müssen Ärzte alle Möglichkeiten ausschöpfen, um das Risiko für diese chronischen postoperativen Schmerzen zu reduzieren. Sie sollten dementsprechend schon vor dem chirurgischen Eingriff systematisch mögliche Risikofaktoren evaluieren, um bei hohem Risiko besondere schmerztherapeutische Maßnahmen einzuleiten.

Zu diesen Risikofaktoren zählen beispielsweise chronische Schmerzen schon vor dem Eingriff. Weiters erhöhen ein jüngeres Alter, weibliches Geschlecht, Angst sowie schmerzbezogenes Katastrophisieren das Risiko. Das Katastrophisieren bezieht sich auf eine übertriebene negative Erwartung bezüglich der postoperativen Schmerzen.

Weitere Risikofaktoren sind ein gesteigertes Schmerzempfinden (Hyperalgesie) sowie eine eingeschränkte deszendierende Inhibition. Letzteres beschreibt eine herabgesetzte körpereigene Schmerzunterdrückung.

Schlußendlich sollten Ärzte auch ihre Patienten vor der Operation ausreichend informieren. Über Schmerzmessung und schmerzmedizinische Verfahren rund um die Operation.

 

Welche Faktoren das Risiko für postoperative Schmerzen erhöhen

Postoperative Risikofaktoren, die zu einer Chronifizierung beitragen können, sind beispielsweise starker postoperativer Akutschmerz, eine Wundinfektion, frühe postoperative neuropathische Schmerzen und eine frühe postoperative sekundäre Hyperalgesie, also eine gesteigerte Schmerzempfindlichkeit bei mechanischen Reizen wie Dehnung oder Druck.



 

Patientenkontrollierte Analgesie hat unbestreitbare Vorteile

Ein bedeutender Risikofaktor ist auch das Gefühl von Patienten, eine geringe Kontrolle über den Akutschmerz zu haben. Gerade deshalb ist die aktive Einbindung der Patienten in die Schmerzkontrolle ganz essenziell für ein erfolgreiches Schmerzmanagement. Denn der Patient weiß am besten, wann er die postoperativen Schmerzen nicht mehr ertragen will.

Grundsätzlich können die Betroffenen verschiedene Methoden der patientenkontrollierten Analgesie zur Vermeidung von Schmerzspitzen einsetzen. Beispielsweise können sie Opioid-Pumpen, regionalanästhesiologische Katheterverfahren sowie neuerdings auch Sublingual-Tabletten verwenden. Damit können sich Betroffene selbst eine Schmerzmitteldosis verabreichen und einen Spiegelabfall vermeiden. Diese Patienten-kontrollierte Analgesie hat unbestreitbare Vorteile und ist zu befürworten.

 

18 Minuten lang mit starken postoperativen Schmerzen auf die Behandlung warten müssen

Laut einer Erhebung dauert es etwa 18 Minuten, bis ein stationärer Patient, der ein Analgetikum anfordert, dieses auch tatsächlich verabreicht bekommt. Das klingt vielleicht wenig, ist aber eine Ewigkeit bei extrem starken Schmerzen. Was noch schwerer wiegt ist, dass in knapp einem Fünftel der Fälle die Patienten gar kein Schmerzmittel erhalten.

Die zeitnahe Versorgung mit starken Mitteln wie Opioiden hängt vom Personalschlüssel ab. Wer in den Nachtstunden oder am Wochenende unter Schmerzspitzen leidet, mus nachweislich eine schlechtere Versorgung hinnehmen.

Im Vergleich zur konventionellen Opioid-Gabe ist bei einer patientengesteuerten Analgesie die Schmerzintensität niedriger, die Patientenzufriedenheit höher und die Nebenwirkungsrate gleich – trotz eines geringfügig höheren Opioidkonsums.



 

Zeit- und Personalmangel trägt zu Behandlungsdefiziten bei

Grundsätzlich ist nach Expertenmeinung Zeit- und Personalmangel maßgeblich dafür verantwortlich, dass Patienten mit postoperative Schmerzen oft unzureichend behandelt werden. Deswegen wird der Schmerz nicht gut genug erfasst und dadurch die Schmerzstärke unterschätzt. In Folge setzt das betreuende Personal zu geringe Analgetika-Mengen. Oft haben sie auch Bedenken bezüglich der Schmerztherapienebenwirkungen und Komplikationen. Aber auch das Fehlen von schriftlichen Behandlungsprotokollen zur Schmerztherapie unterstützt die zu wenig wirksame medikamentöse Therapie.

Eine optimale Akutschmerzbehandlung nach einer Operation ist nicht nur für alle Patienten wünschenswert. Schließlich rechnet sie sich auch gesundheitsökonomisch. Denn schlecht behandelte Beschwerden erhöhen das Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko. Insbesondere bei Patienten, die auch an Herzkreislauf- oder Atemwegsbeschwerden als Begleiterkrankungen leiden.


Quelle:

Statement »Postoperative Schmerzen: Risikofaktoren erkennen, Patienten in die Behandlung einbeziehen
Statement«. OÄ Dr. Waltraud Stromer, Vorsitzende der Sektion Schmerzmedizin der ÖGARI; Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Landesklinikum Horn

PK Pressekonferenz der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) – Wien, November 2018

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