Freitag, März 29, 2024

Netzhautkomplikation Diabetische Retinopathie: Risiko Erblindung

Diabetische Retinopathie kann häufig zur Erblindung führen. Das Risiko des Diabetikers dafür ist im Vergleich zum Nicht-Diabetiker um das 10–20-fache erhöht.

Zu den im Rahmen von Dia­betes auftretenden oph­thal­mologischen Komplikationen gehören insbesondere Katarakt, Glaukom, Iris-Neovas­kularisation, Sehnervveränderungen und – als die bei weitem am häufigste und potenziell zur Erblindung führende Komplikation – die diabetische Retinopathie.



Durch rechtzeitige Diagnose » diabetische Retinopathie « und die wirksame Behandlung dieser diabetischen Netzhautveränderungen kann man das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen und eine Erblindung – bedingt durch Glaskörperblutung und Ablatio retinae – in den allermeisten Fällen verhindern. Da die Erkrankung in der Frühphase aber häufig asymptomatisch ist, kommt regelmäßigen ophthalmologischen Untersuchungen die größte Bedeutung zu.

 

Epidemiologie

Dank der verbesserten medizinischen Betreuung hat sich nicht nur die Lebenserwartung, sondern auch die Lebensqualität der betroffenen Patienten deutlich erhöht. Trotzdem entwickeln nach 30-jährigem Verlauf 90% aller Diabetiker zumindest eine milde nichtproliferative dia­betische Retinopathie. Anderer­seits kommt es aber bei vielen Diabetikern bereits nach der Hälfte dieser Zeit zu einer bedrohlichen proliferativen diabetischen Retinopathie. Der Zeitpunkt des Auftretens und der natürliche Verlauf diabetischer Netzhautveränderungen sind also sehr variabel. Durch große epidemiologische Untersuchungen kennt man heute viele der die Erkrankung beeinflussenden Größen.

Diabetes-Typ. Zunächst spielt der Diabetes-Typ eine wichtige Rolle. Der jugendliche Typ-I-Diabetiker neigt zur aggressiven, proliferativen Form der Erkrankung, während der Typ-II-Diabetiker eher eine Makulopathie entwickelt. Die proliferative Retinopathie des Typ-II-Diabetikers verläuft in der Regel wesentlich langsamer und weniger aggressiv als beim Typ I.

Diabetes-Dauer. Unabhängig vom Typ ist die Dia­betes-Dauer entscheidend für das Auftreten einer Retinopathie. Wie bereits erwähnt, zeigt nach 30-jährigem Verlauf der Erkrankung fast jeder Diabetiker Zeichen einer diabetischen Netzhautveränderung. Bei kindlichen Diabetikern ist vor dem Eintritt in die Pubertät kaum mit dem Auftreten einer Retinopathie zu rechnen, bzw. sind bei Typ-I-Diabetikern innerhalb der ersten fünf Erkrankungsjahre oftmals keine retinalen Veränderungen nachweisbar.

Systemische Risikofaktoren. Zu systemischen Risikofaktoren, die zu einer Verschlechterung der retinalen Situation führen können, gehört insbesondere der hohe Blutdruck. So wirkt sich eine Hypertonie massiv auf die Zunahme einer exsudativen Makulopathie beim Typ-II-Diabetiker aus und unterstützt den Übergang in die proliferative Form der Erkrankung beim Typ-I-Diabetiker. Des weiteren zeigen viele diabetische Patienten mit Proteinurie gleichzeitig auch Zeichen einer Retinopathie. Die diabetische Nephropathie kann sowohl eine Makulopathie, als auch eine proliferative Retinopathie verschlechtern.

HbA1c-Wert. Eine kurzfristige zu rasche Verbesserung der Blutzuckereinstellung, gemessen am HbA1c-Wert, kann initial ebenfalls zu einem beschleunigten Fortschreiten der Retinopathie führen (»Early worsening«). Andererseits zeigen die Ergebnisse verschiedener Langzeitstudien, dass die optimale Blutzuckerregulierung – gemessen an HbA1c-Werten – zu einer Verlangsamung der Progression und Verzögerung zumindest der nicht-proliferativen Retinopathie führt.



 

Pathogenese

Nicht proliferative ­diabetische Retinopathie. Die diabetische Retinopathie entwickelt sich zunächst aus Veränderungen biochemischer und hämodynamischer Eigenschaften des Blutes sowie aus Gefäßwandveränderungen der retinalen Arteriolen und Kapillaren. Verminderter Blutfluss in den Kapillaren (durch erhöhte Blutviskosität, verminderte Ery­throzytenflexibilität) führt zu Thrombosen und durch den daraus entstehenden Stau im Kapillarstromgebiet zur vermehrten mechanischen Belas­tung der Gefäßwand.

Zusätzlich zum Untergang von Perizyten kommt es durch Deformierung der Endothelzellen zu Permeabilitätserhöhungen der Gefäßwand, die Blut-Retina-Schranke bricht zusammen und es resultiert die Leckage von Proteinen und Lipiden. Daraus resultieren wiederum die an der Netzhaut sichtbaren Veränderungen wie Mikroaneurysmen, harte Exsudate, weiche Exsudate, intraretinale Blutungen und das diabetische Makulaödem.

Proliferative diabetische ­Retinopathie. Die Folge kapilläre Nonperfusion ist eine zunehmende Ischämie großer Netzhautareale. Ausgehend von diesen Ischämiearealen kommt es zur Bildung und Freisetzung verschiedener Mediatoren, die die Bildung neuer Gefäße fördern. Als solche angiogenetische Faktoren wurden u.a. der Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) oder der Insulin Growth Factor (IGF) 1 isoliert. Diese Gefäßneubildungen (Proliferationen) wachsen häufig aus dem Netzhautniveau heraus in den Glaskörperraum vor.

Da sie ausgesprochen fragil sind, können infolge von Glaskörper-Schrumpfungen oder auch mechanischen Traumata intraokulare Blutungen auftreten und zu massiver Sehverschlechterung führen. Durch vitreale Schrumpfung kann es über diese Proliferationen auch zum Zug an Netzhautarealen kommen und so eine Traktionsamotio resultieren, welche das Sehvermögen des Auges wiederum massiv bedroht.

 

Diabetische ­Retinopathie Stadieneinteilung

Prinzipiell wird – wie bereits erwähnt – zwischen einer nicht proliferativen und einer proliferativen Form der diabetischen Retinopathie und der diabetischen Makulopathie unterschieden.

  • Nicht proliferative diabe­tische ­Reti­no­pathie (NPDRP): Es werden drei Schweregrade (mild – mäßig – schwer) unterschieden, gekennzeichnet durch das – unterschiedlich stark ausgeprägte – Auftreten der oben genannten Veränderungen.
  • Proliferative diabetische ­Retino­pathie (PDRP): Gekennzeichnet durch Gefäßneubildungen im Bereich der Papille oder anderen Netzhautarealen, bzw. dem Auftreten intraokularer Hämorrhagien.
  • Diabetische Makulopathie: Definiert als biomikroskopisch erkennbare Verdickung der Netzhaut innerhalb des Sehzentrums.



 

Diagnostik

Jeder Diabetiker sollte mindes­tens einmal jährlich augenfachärztlich untersucht werden, wobei die Untersuchung die Sehschärfe bei optimaler Korrektur, den Augendruck und eine binokuläre biomikroskopische Spaltlampen-Untersuchung des vorderen Augenabschnitts und des Augenhintergrunds bei weiter Pupille umfassen muss.

 

Therapie der diabetischen Retinopathie

Internistische Therapie. Die Basis der Therapie der diabetischen Retinopathie stellt die gute Stoffwechselführung des Patienten dar, wobei insbesondere der HbA1c (sollte < 7% sein) ein ganz entscheidender prognostischer Parameter ist. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt steht eine nachgewiesenermaßen wirksame spezifische medikamentöse Therapie zur Behandlung der diabetischen Retinopathie leider noch nicht zur Verfügung. Allerdings befinden sich mehrere Substanzen in der Phase fortgeschrittener klinischer Studien.

Ophthalmologische ­Therapie. Bei entsprechendem Befund stellt die Lasertherapie nach wie vor die Standardtherapie der dia­betischen Retinopathie und Makulopathie dar. Eine Laserkoagulation kann nur das Fortschreiten des Visusverlustes vermindern, jedoch keine Visusverbesserung herbeiführen.

Das Ziel der Laserbehandlung besteht in einem Erhalt des aktuellen Sehvermögens und einer Verhinderung der Progression der Erkrankung. Ein glaskörperchirurgischer Eingriff (Vitrektomie) ist indiziert bei persistierenden Glaskörperblutungen und bei Netzhaut­ablösung.

An Diabetes mellitus erkrankte Menschen entwickeln frühzeitiger und häufiger eine Katarakt. Vor der Durchführung einer Katarakt Operation sollte eine Optimierung der Stoffwechselkontrolle und des Blutdrucks angestrebt, bzw. eine behandlungsbedürftige Retinopathie unbedingt therapiert werden. Nach der Kataraktoperation sind regelmäßige Funduskontrollen erforderlich, damit bei Progredienz der Retinopathie rechtzeitig eine Laseroperation durchgeführt werden kann.




Quellen:

Leitlinie Diabetische Retinopathie – Netzhautkomplikationen durch Diabetes http://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/Redakteur/Leitlinien/dm-netzhautkomplikationen-2aufl-vers1-lang.pdf

Diabetische Retinopathie. Univ.-Doz. Dr. Stefan F. Egger. MEDMIX

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