Donnerstag, März 28, 2024

Nekrotisierende Fasziitis: fleischfressende Bakterien schneller erkennen

Zukünftig könnten Biomarker eine schnellere Diagnose für fleischfressende Bakterien, die nekrotisierende Fasziitis verursachen, ermöglichen.

Häufig kann man in den letzten Jahren in Massenmedien über fleischfressende Bakterien lesen. Diese verursachen schwere Infektionen, wobei man das Krankheitsbild als nekrotisierende Fasziitis (necrotizing soft tissue infections) bezeichnet.



 

Nekrotisierende Fasziitis geht mit dramatischen Gewebezerstörungen einher

Die Nekrotisierende Fasziitis ist eine seltene Infektionskrankheit, die dramatische Gewebezerstörungen verursacht. Häufig muss man dabei den Patienten Gliedmaßen amputieren. Oder sie versterben sogar, bevor eine passende Behandlung einsetzen konnte.

Der rasante Krankheitsverlauf, verschiedene unterschiedliche fleischfressende Bakterien sowie deren zunehmende Antibiotikaresistenz machen eine Schnelldiagnostik nötig. Hierzu konnten Forscher des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) mithilfe modernster Methoden erstmals Einblicke in die Zusammensetzung der Erreger bekommen.Wobei häufig sogenannte bakterielle Mischinfektionen die Nekrotisierende Fasziitis verursachen.

Zudem konnten die Wissenschaftler die am Infektionsort ablaufenden Prozesse besser charakterisieren und Unterschiede in der Wirtsantwort in Abhängigkeit vom Erregerspektrum beobachten. Damit gelang es, potenzielle Biomarker für die durch Einzelerreger wie Streptococcus pyogenes oder bakterielle Mischinfektionen verursachte nekrotisierende Fasziitis zu identifizieren. Diese neuen Biomarker könnten zukünftig in der klinischen Anwendung eine schnellere Diagnostik der Erreger und damit eine zugeschnittene Therapie ermöglichen.



 

Anfangssymptome der nekrotisierenden Fasziitis für Ärzte schwer zu diagnostizieren

Die unauffälligen grippeähnlichen Anfangssymptome der nekrotisierenden Fasziitis (NF) sind für Ärzte schwer zu diagnostizieren. Völlig gesunde Menschen können daran erkranken, aber vor allem immungeschwächte Menschen. Und hier besteht ein Wettlauf gegen die Zeit.  Denn den Patienten bleiben nur drei bis vier Tage für eine Rettung.

Die Sterberate liegt bei 30 Prozent und steigt auf 70 Prozent an, wenn die richtige klinische Diagnose fehlt. Zudem ist eine schnelle Identifizierung der Erreger dringend nötig, um die Patienten mit einer zugeschnittenen Therapie behandeln zu können. Dies ist auch besonders bedeutsam vor dem Hintergrund zunehmender Antibiotikaresistenzen vieler Bakterienarten.

Lange war nicht bekannt, welche unterschiedlichen Erreger überhaupt bei der nekrotisierenden Fasziitis involviert sind. Im Rahmen des EU-Projektes INFECT wurde für diese Grundlagenforschung die weltweit größte Patienten-Kohorte zur nekrotisierenden Fasziitis angelegt. Für die Analysen standen humane Gewebeproben von insgesamt 150 Patienten zur Verfügung, die von Klinikern aus Norwegen, Dänemark und Schweden in einer Biobank gesammelt wurden.



 

Vibrio-Arten und Streptococcus pyogenes als fleischfressende Bakterien

„Die nekrotisierende Fasziitis ist derzeit vermehrt in den Medien. Denn sie kann auch durch im Meerwasser lebende Vibrio-Arten hervorgerufen werden, wie in diesem Jahr in der Ostsee. Deutlich häufiger sind jedoch Infektionen mit dem bekannten Pathogen Streptococcus pyogenes“; sagt Prof. Dietmar Pieper. Der Mikrobiologe und Leiter der Forschungsgruppe „Mikrobielle Interaktionen und Prozesse“ führt das Projekt des Begründers Prof. Singh Chhatwal am HZI weiter. „Sehr oft sind die Infektionen jedoch bakterielle Mischinfektionen aus einem breiten Spektrum verschiedener Erreger.“ Über die Zusammensetzung und Aktivität dieser polymikrobiellen Gemeinschaften ist bisher noch sehr wenig bekannt. In einer interdisziplinären Zusammenarbeit konnten die Forscher über ein mikrobielles Profiling durch 16S-rRNA-Analysen zeigen, welche Erreger an den Mischinfektionen beteiligt sind.

„Wir konnten die Bakterienarten Prevotella, Fusobakterium, Parvimonas und Porphyromonas immer wieder in einer ähnlichen Zusammensetzung nachweisen“, sagt Dietmar Pieper. „Bisher war noch nicht bekannt, wie Gemeinschaften von eigentlich harmlosen Bakterien Infektionen verursachen können, die die gleiche Sterblichkeitsrate und das zerstörerische Potenzial wie ‚professionelle Pathogene‘ haben, wie zum Beispiel das gut untersuchte Bakterium Streptococcus pyogenes.“ Diese polymikrobiellen Infektionen, hervorgerufen durch normale Besiedler unseres Darms, der Haut oder des Mundes, wären noch viel zu wenig untersucht, weil sich die Forschung bisher auf Infektionen, die durch ein typisches Pathogen hervorgerufen werden, konzentrierte.



 

RNA-Sequenzierung

Um die Infektionsmechanismen der einzelnen Erreger und Mischinfektionen besser zu verstehen, führten die Forscher neben dem mikrobiellen Profiling eine sogenannte duale RNA-Sequenzierung an den Gewebeproben durch, die eine Aussage über die Aktivität der Pathogene und der Wirtsantwort direkt am Infektionsort erlaubte.

„Während die krankheitserregenden Mechanismen von Pathogenen gut untersucht sind, gibt es kaum Informationen, wie eigentlich harmlose Bakterien die Gewebezerstörung vorantreiben“, sagt HZI-Wissenschaftler Dr. Robert Thänert, der die Arbeiten koordinierte. „Wir konnten jetzt zeigen, dass Einzelerreger wie Streptococcus und die Bakterien, die man in Mischinfektionen findet, völlig verschiedene Mechanismen nutzen, was zu unterschiedlichen Prozessen der Gewebezerstörung führt.“ Die mikrobielle Besiedelung rufe im Wirt unterschiedliche Antworten im infizierten Gewebe hervor, die auch im Blutserum nachweisbar sind.

 

Arbeitsteilung bei Bakterien

Die HZI-Forscher konnten feststellen, dass sich die Bakterienarten, die man in Mischinfektionen antrifft, die Arbeit aufteilen. „Wie in einem Orchester arbeiten sie zusammen und sind damit in der Lage, das Wirtsgewebe zu kolonisieren und hier eine zerstörerische entzündliche Immunantwort zu verstärken“, sagt Eva Medina, Leiterin der HZI-Forschungsgruppe „Infektionsimmunologie“.

Feine Unterschiede in der Wirtsantwort auf die Infektion können die Forscher nun als diagnostische Biomarker nutzen. Dadurch sind Ärzte schnell über den Erreger informiert und können eine passende Therapie ableiten.

Jedenfalls zeigen die Forschungsarbeiten das unterschiedliche Infektionsgeschehen bei mono- und polymikrobiellen Infektionen, die nekrotisierende Fasziitis verursachen können, in neuem Licht. Zukünftige Studien müssen die neuen Biomarker nun validieren, damit diese als Diagnostik-Tools einsetzbar werden.




Literatur:

Robert Thänert, Andreas Itzek, Jörn Hoßmann, Domenica Hamisch, Martin, Bruun Madsen, Ole Hyldegaard, Steinar Skrede, Trond Bruun, Anna Norrby-Teglund, INFECT study group, Eva Medina & Dietmar H. Pieper. Molecular profiling of tissue biopsies reveals unique signatures associated with streptococcal necrotizing soft tissue infections. Nature Communications 2019; doi: 10.1038/s41467-019-11722-8.


Quelle: Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

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