Freitag, März 29, 2024

Nachwuchsmangel im Bereich der Gefäßchirurgie in vielen Krankenhäusern

In der Gefäßchirurgie brachten die letzten zwei Jahrzehnte eine Revolution des Arbeitsplatzes (OP versus Hybridsaal) sowie der Technik.

Das allgegenwärtige Thema „Nachwuchsmangel“ macht auch vor dem Bereich der Gefäßchirurgie nicht halt und ist in den meisten Kliniken längst Alltag. Das Durchschnittsalter der Chirurgen liegt derzeit bei knapp 50 Jahren und bereits 2008 lagen Zahlen vor, die nachwiesen, dass bis 2020 circa 11.000 Chirurgen in Deutschland, sowohl aus dem ambulanten als auch aus dem Krankenhaussektor, im Ruhestand sein werden.



Um diese Stellen zu füllen, müssten circa zehn bis zwölf Prozent der Absolventen eines Jahrgangs eine chirurgische Karriere antreten, und das auch nur, wenn man von einem gleich bleibenden Bedarf ausgeht. Aktuell sind jedoch lediglich um fünf Prozent der Studierenden an einer chirurgischen Laufbahn interessiert. Bezogen auf die Gefäßchirurgie wurden bereits vor zehn Jahren mehr Oberarztstellen ausgeschrieben als Facharzttitel erworben. Dieser Mangel wird sich auf die medizinische Versorgung auswirken und vor dem Hintergrund einer zunehmend alternden Gesellschaft wird die Versorgung auf dem bisherigen Niveau nicht sicherzustellen sein.

 

Gefäßchirurgie mit schwierigem Image

Die demografische Entwicklung in Deutschland bildet sich ganz deutlich in der Todesursachenstatistik ab. Aktuell sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, also Erkrankungen des alten Menschen, an Stelle eins in Deutschland. Das bedeutet: Die Gesellschaft benötigt gerade in der Zukunft Gefäßmediziner, um die Versorgung sicherzustellen.

Aber: Die Gefäßchirurgie hat, insbesondere bei Studierenden, ein Image als „kleines Nebenfach“ mit hoher Arbeitsbelastung und eingeschränktem therapeutischem Spektrum. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig und die Nachwuchsförderung der Fachgesellschaften muss ihnen somit genauso vielschichtig begegnen.

Vergleicht man den Ist-Zustand mit dem Stand von vor einigen Jahren, so hat sich für die Ärztinnen und Ärzte in der (gefäß-)chirurgischen Weiterbildung bereits viel getan: Arbeitszeitgesetze, Möglichkeit zur Teilzeitarbeit und Elternzeit und differenzierte Weiterbildungsordnungen sind nur einige Punkte. Dies gelang in der Gefäßchirurgie auch unter anderem durch die Formierung einer Assistentenorganisation im Jahr 2009, des „Jungen Forums“, als Interessensvertretung der Ärztinnen und Ärzte in der gefäßchirurgischen Weiterbildung.



Geblieben ist dennoch die Sorge der Studierenden vor Überstunden, strengen hierarchischen Strukturen sowie Einbußen an Lebensqualität während einer vermeintlich langen und mangelhaften chirurgischen Weiterbildungszeit, in der die oben genannten Verbesserungen nicht in die Realität übersetzt werden können.

 

Warum also ist die Gefäßchirurgie trotz dieser Sorgen für den Nachwuchs besonders attraktiv?

Gefäßchirurgie ist revolutionär: Die letzten zwei Jahrzehnte induzierten eine Revolution des Arbeitsplatzes (klassischer OP versus Hybridsaal) sowie eine Revolution der Technik. Die rasante technische Weiterentwicklung des Fachbereichs hält an und lässt Innovation zu. Gefäßchirurgie ist multimodal und ganzheitlich.

Die Gefäßchirurgie bietet als einer der jüngsten eigenständigen chirurgischen Fachbereiche einen Reichtum an Therapieverfahren. Diagnostik und Therapie liegen in einer Hand, ebenso wie unterschiedlichste therapeutische Ansätze: offenchirurgische Verfahren, endovaskuläre Verfahren gleichwie konservative Verfahren. Somit kann der Gefäßchirurg eigenständig die optimale Therapie für seine Patienten wählen, beraten und abwägen. Individualisierte Therapie ist somit längst Alltag.

Gefäßchirurgie ist Medizin am ganzen Menschen. Dazu gehören gleichgestellt die Versorgung in lebensbedrohlichen Blutungssituationen, große Aortenchirurgie, aber auch filigrane und feinmanuelle Eingriffe in der Bypasschirurgie sowie beispielsweise Shuntchirurgie und Varizenchirurgie, welche durchaus auch im ambulanten Setting durchführbar sind. Gefäßchirurgie ist intelligent und interdisziplinär.



Die Komplexität der Fälle, in einem hoch komorbiden Patientenkollektiv erfordert nicht nur technische, sondern insbesondere auch kognitive Kompetenz sowie den intensiven Austausch mit multiplen assoziierten Disziplinen. Gefäßchirurgie ist zukunftsorientiert. Durch die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten und Therapieformen sind die Eingriffe besser planbar. Somit bietet das Fach optimale Bedingungen für eine verbesserte Work-Life-Balance und die Vereinbarkeit des Berufs mit unterschiedlichen Lebensentwürfen.

 

Gefäßchirurgie sichtbar machen

Gefäßchirurgie bietet Forschungsräume und Forschungsfragen technischer, grundlagenorientierter und innovativer Art und ermöglicht so ein aktives Mitgestalten der Zukunft. Darin eingeschlossen ist nicht nur die Zukunft des eigenen Fachbereiches, sondern insbesondere auch die Zukunft der Patienten: Die (Weiter-)Entwicklung und Anwendung neuer Therapieformen kann erheblich dazu beitragen, die Lebensqualität der Patienten vor, während und nach Operationen zu verbessern. Um den Nachwuchssorgen über die bereits bestehenden Angebote hinaus, wie das Junge F

orum, die Sommerakademie und viele mehr, zu begegnen, ist ein Ansatzpunkt sicher bereits im Studium zu sehen: Gefäßchirurgie ist in den gängigen Curricula deutscher Medizinfakultäten meist unterrepräsentiert. Das Fach muss aber sichtbar werden – in seinem gesamten Spektrum. Auch im Rahmen dieses Kongresses gibt es wie bereits in den letzten Jahren auch wieder eine Studierendenförderung im Rahmen eines eigenen Studierendenkongresses (MAGIC-Kampagne).

Diese Sichtbarmachung und Nachwuchsförderung ist zusammenfassend nicht nur aus Sicht der Fachgesellschaft, sondern ganz klar auch im Sinne der Allgemeinheit. Diese braucht die Gefäßchirurgie und somit den Nachwuchs dringend, um auch in der Zukunft eine qualitativ hochwertige Versorgung der gefäßkränker werdenden Gesellschaft aufrechterhalten zu können.




Quelle:

Medizin für den ganzen Menschen: Warum die Gefäßchirurgie für den Nachwuchs besonders attraktiv ist Dr. med. Katrin Meisenbacher, Assistenzärztin in der Weiterbildung, Universitätsklinik Heidelberg. 35. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V.

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