Donnerstag, März 28, 2024

Medizinische Physik

Die Medizinische Physik steht derzeit unter dem Motto „Neue Horizonte in der Medizinischen Physik“ in Würzburg im Fokus ( 7.–10. 9. 2016).

International renommierte Wissenschaftler diskutieren neue Erkenntnisse aus allen Bereichen der Medizinischen Physik. Kongresspräsidentin der 47. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Physik (DGMP) e. V. und 19. Jahrestagung der Deutschen Sektion der International Society for Magnetic Resonance in Medicine (ISMRM) e. V. (http://www.dgmp-kongress.de/) Prof. Dr. rer. nat. et med. habil. Laura M. Schreiber, MBA, Direktorin Lehrstuhl Zelluläre und Molekulare Bildgebung und Wissenschaftliche Geschäftsführerin DZHI Universitätsklinikum Würzburg, gibt im Interview Einblicke zu Tagungsschwerpunkten und Highlights. Als Expertin für die Bildgebung des Herzens mittels Magnetresonanz-Tomographie strebt die Physikerin Fachbereich übergreifende Kooperationen an und etablierte in Würzburg ein weltweit einzigartiges Forschungszentrum für Kardiodiagnostik.

 

Worin liegt für Sie der Reiz der Medizinischen Physik?

Prof. Schreiber: „Der Reiz der Medizinischen Physik liegt für mich in der Verbindung zahlreicher unterschiedlicher Methoden, die es uns erlauben, in den Menschen hineinzusehen und dabei Informationen über die Funktionsfähigkeit von Organen zu bekommen, ohne den Körper eröffnen zu müssen. Das erfordert gute Fachkenntnisse auf verschiedensten Gebieten und die ständige Überwindung von Grenzen und Hürden. Für mich als Physikerin ist es außerdem interessant, die Physiologie des Menschen zu verstehen, um Messverfahren zu entwickeln, die einen Beitrag zum Verständnis und zur Diagnostik von Krankheiten leisten, Patienten zukünftig noch besser behandeln zu können. Und schließlich ist es die Interaktion mit Kollegen aus der Medizin, die ich in der Medizinphysik besonders spannend finde. Hier am Lehrstuhl arbeite ich mit Wissenschaftlern aus etwa 25 bis 30 unterschiedlichen Fachdisziplinen zusammen. Dazu gehört jedoch nicht nur die Medizin, sondern auch Ingenieurwissenschaften, Mathematik, Chemie bis hin zu Sozialwissenschaften, Psychologie oder Psychiatrie.“

 

Worin besteht die Herausforderung des Lehrstuhls für zelluläre und molekulare Bildgebung am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI)?

Prof. Schreiber: „Die Herausforderungen hier am Lehrstuhl sind vielseitig, da wir uns ebenfalls mit einer sehr vielschichtigen und noch gar nicht so detailliert erforschten Krankheit wie der Herzinsuffizienz beschäftigen. Unser Schwerpunkt liegt in der Bildgebung und die betrifft nicht nur das Herz, sondern auch zahlreiche andere Organe. Mehr als 50 Prozent aller Herzinsuffizienz-Patienten haben fünf oder mehr Nebendiagnosen. Dabei handelt es sich um endokrinologische Erkrankungen, Nierenerkrankungen oder gar psychische Erkrankungen. Patienten mit Herzinsuffizienz leiden häufig an Depressionen. Umgekehrt ist bekannt, dass Patienten mit Depressionen über ein erhöhtes Risiko verfügen, an Herzinsuffizienz zu erkranken. So stehen wir beispielsweise in sehr engem Kontakt mit Kollegen der Psychiatrie und der Neurologie. Das neue Gebäude, das wir noch in diesem Jahr beziehen werden, wird dieser Interdisziplinarität unser Arbeit gerecht und die neue Heimat von Kardiologen, Radiologen, Pharmakologen, molekulare Pharmakologen, Physikern, Chemikern, Biologen, Psychologen und Psychiatern. In Büros, Laboren und über zwei Stockwerke verteilt, haben wir künftig die Möglichkeit, experimentelle Bildgebung unter einem Dach zu praktizieren – das ist wirklich einzigartig. Das Institut wird mittelfristig 240 Wissenschaftler beherbergen und eine wichtige Plattform für Forscher darstellen, die im Bereich Herzinsuffizient arbeiten wollen.“

 

Welche konkreten Vorteile ergeben sich daraus?

Prof. Schreiber: „Ein Beispiel: Wir haben in unserer Arbeitsgruppe ‚Computational Cardiology‘ die meines Wissens weltweit einmalige Situation, dass Spezialisten aus Bildgebung, Kardiologie und Hochleistungsrechnen in einer Einrichtung zusammenarbeiten, um zu verstehen, welche physiologischen Prozesse im Herzen stattfinden und wie diese bei Herzinsuffizienz gestört sind.

Bei diagnostischen Bildern handelt es sich ja eigentlich um Messungen unterschiedlicher physikalischer Größen im drei- bzw. vier-dimensionalen Raum. Im Rahmen des Computational Imaging haben wir jetzt damit begonnen, Bildgebung mit High-Performance-Computing zu kombinieren. Wir berechnen auf den schnellsten europäischen Computern, die in Stuttgart stehen, wie Massentransport in den Herzkranzarterien stattfindet. Dieses Projekt haben wir begonnen, weil wir verstehen wollten, wie Kontrastmittel strömt. Die Ergebnisse können wir jedoch auch auf Verabreichung von Medikamenten übertragen, also auf die Fragestellung, wo gehen Medikamente hin und kommen sie überhaupt dort an, wo sie hin sollen? Von dieser engen Zusammenarbeit der Experten verspreche ich mir praxisnahe Erkenntnisse, die wiederum Patienten mit Herzinsuffizienz zugutekommen.“

 

Ein weiter Schwerpunkt Ihrer Arbeit wird künftig die Herzforschung mit Ultrahochfeld-MRT sein. Was ist das Spannende an einem 7-Tesla-MR-Tomographen?

Prof. Schreiber: „Aus Sicht einer MRT-Physikerin ist das Herz das Organ, das am schwierigsten darzustellen ist, weil es sich tief im Körperinneren befindet, von sehr unterschiedlichen Geweben umgeben ist und sich viel und stark bewegt. Unser Ziel lautet mittelfristig, mit dieser Hochtechnologie die Herzinsuffizienz zu erforschen und Diagnoseverfahren zur möglichst frühzeitigen Erkennung, zur Beurteilung des Schweregrades und auch des Behandlungserfolges zu entwickeln. Es gilt die Ultrahochfeld-MRT so weiterzuentwickeln, dass wir bald schon bestmögliche Bilder aus dem Herzen bekommen. Das ist derzeit am Herzen mit 7 Tesla noch schwierig. Wenn wir anfangs einen Patienten untersuchen, werden wir wahrscheinlich nichts sehen, was wir als Bild verwenden wollen. Dafür benötigen wir Physiker, die Methoden entwickeln, gute Bilder zu erstellen. Das ist technisch sehr zwar aufwändig, aber das haben wir uns zum Ziel gesetzt.“

Warum ist die Darstellung des Herzens mit 7T MRT so schwierig?

Prof. Schreiber: „Ein entscheidendes Problem der 7-T-Diagnostik ist: Die Magnetfelder im Thorax sind sehr inhomogen. Das statische Magnetfeld wird durch die Eigenschaften des Gewebes verformt. Denn jedes Gewebe verfügt über eine eigene Suszeptibilität, die das Magnetfeld beeinflusst. Man kann das deutlich an den Bildern erkennen. Außerdem entspricht die Wellenlänge der eingestrahlt Gradienten in etwa dem Querschnitt des Thorax. Es kommt zu Interferenzen, also hellen und dunklen Stellen. Ein weiterer Punkt ist: Die Leistung der eingestrahlten Hochfrequenz entspricht derjenigen eines starken Radiosenders. Das hat zur Folge, dass sich das Gewebe erwärmt. Wir werden Methoden entwickeln, um diesen Effekt zu kompensieren. Wir haben also noch viel Arbeit vor uns, doch ich sehe uns sehr gut aufgestellt. Mit dem System von Siemens und der Unterstützung aus Erlangen haben wir einen guten Partner gefunden.“

Zurück zur DGMP-Tagung. Hier gibt es für den MR-Linac einen eigenen Vortrags-Track. Was ist das Besondere an der Verbindung dieser beiden Modalitäten?

Prof. Schreiber: „Bei der Radiotherapie von Tumoren stehen wir vor dem Problem, das Gewebe im Zielvolumen zu nekrotisieren, gleichzeitig muss umliegendes Gewebe bestmöglich geschont werden. Da Tumore durch Atmung oder Peristaltik immer in Bewegung sind, erreichen wir dieses Ziel nicht immer. Moderne Verfahren der bildgeführten Radiotherapie (IGRT – Image Guided Radiotherapy) berücksichtigen diese Tumorbewegung und sorgen dafür, dass der Tumor nur in bestimmten Positionen bestrahlt wird oder versuchen gar, den Therapiestrahl nachzuführen. Dazu bedarf es einer Bildgebung, die die Tumorbewegung verfolgt. Ultraschall fällt hierfür aus, da nicht in allen Körperregionen gewährleistet ist, ausreichend Echos aus dem Körperinneren zu empfangen. Auch Röntgenverfahren liefern zu schlechte Bilder. Dann haben wir nur noch CT und MRT, wobei die Computertomographie wegen einer zu hohen Dosisbelastung der Patienten ebenfalls nicht infrage kommt. Bleibt einzig und allein die Magnetresonanztomographie.“

Welche Vorteile hat die MRT hier?

Prof. Schreiber: „Die MRT zeichnet sich zum einen durch einen besonders guten Gewebekontrast aus. Zum anderen kann man mit ihr über einen langen Zeitraum online messen und unterschiedliche funktionelle Verfahren durchführen, wie die Gewebeperfusion für die Tumordetektion. Außerdem eignet sich die MRT für langfristige Beobachtung von Organen, um den Therapiestrahl entsprechend zu leiten. Der MR-Linac bedeutet für die Präzisionsstrahlentherapie einen Quantensprung. Ein weiterer Vorteil der MRT ist: Wir sind damit in der Lage, die Oxigenierung von Gewebe zu messen. Das ist wichtig, da wir heute wissen, dass genügend Sauerstoff im Gewebe benötigt wird, damit eine Strahlentherapie optimal wirken kann. Aber da sprechen wir noch von Zukunftsmusik. Für die Medizinphysik ist das Thema jedoch von immenser Bedeutung, da die DFG in Deutschland Forschungsgelder bereitstellte, um in München, Heidelberg und Tübingen gleich drei Standorte mit diesem neuen Hybridverfahren auszustatten. Wir stellen auf der DGMP-Tagung in Würzburg somit nicht nur neueste Technologie und Forschungsergebnisse vor, sondern präsentieren ebenfalls unseren ausgezeichneten Forschungsstandort am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz.“

Wir bedanken uns sehr herzlich für das Interview! (Das Interview führte Guido Gebhardt).

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