Dienstag, April 16, 2024

Lungenentzündung bei älteren Menschen: Antibiotika-Therapie richtig durchführen

In der Behandlung der Lungenentzündung bei älteren Menschen sollte von Beginn an eine Therapie mit Antibiotika ausreichend hoch dosiert sein. Und auch lange genug dauern.

Die Frage, ob man die Lungenentzündung (Pneumonie) bei alten Menschen besser im Spital einer Antibiotika-Therapie unterzieht, ist nicht endgültig zu beantworten. Denn es gibt keine allgemeine Regel dazu. Bei alten Menschen in einem Alter von 65+ und zusätzlich relevanter Begleiterkrankung(en) sollte man eine Lungenentzündung besser im Krankenhaus behandeln. Denn es gibt speziell bei alten Menschen einige diagnostische Schwierigkeiten, wenn man eine akute Lungenentzündung vermutet. Dies gilt natürlich auch im Zusammenhang mit der Coronavirus-Erkrankung COVID-19 mit ähnlichen Symptomen. In Hinblick auf die COVID-19-Pandemie ist jedenfalls das Risiko einer Fehldiagnose anderer Ursachen für Atemwegsinfektionen wahrscheinlich. Dazu gibt es auch klinischen Merkmale, die beispielsweise eine Pneumokokkeninfektion bei COVID-19-Patienten beschreiben. Das radiologische Muster von COVID-19 kann nicht von dem einer Pneumokokken-Pneumonie unterschieden werden. Allerdings berichten Ärzte aber immer wieder von einer Super- beziehungsweise Ko-Infektion mit Pneumokokken bei SARS-Cov-2.

Ältere Patienten mit bestätigtem COVID-19 entwickeln übrigens laut jüngsten Studien häufiger akutem Atemnotsyndrom und Herzerkrankungen als jüngere Patienten. Zudem behandelt man sie häufiger auf der Intensivstation. Neben der routinemäßigen Überwachung und Unterstützung der Atemwege sollten bei älteren Patienten mit COVID-19 die Herzüberwachung und die palliativmedizinische Behandlung im Mittelpunkt stehen.

 

Lungenentzündungen durch Bakterien kommen im Alter häufiger vor

Unter dem Strich kommen Lungenentzündungen mit zunehmendem Alter häufiger vor. Besonders oft treten sie bei Patienten auf, die in Pflegeheimen leben. Ebenfalls sind die Sterberaten für Lungenentzündung bei alten Menschen hoch. Wobei sie auch in den letzten zwölf Jahren nicht gesunken sind. Oft sind dafür multiresistente Bakterien verantwortlich. Dies gilt wiederum insbesondere bei Senioren in Pflegeheimen. Das sollten Ärzte beim Einleiten einer Behandlung berücksichtigen.

Wichtig ist auch die Überwachung der Patienten. Und ob sie klinisch stabil bleiben. Wichtige Faktoren bei der Behandlung älterer Patienten mit Lungenentzündung sind dabei Begleiterkrankungen sowie potenzielle Wechselwirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten.

 

Untypische Symptome

Das Hauptproblem bei Verdacht auf Lungenentzündung bei alten Menschen ist, dass bei Älteren die Symptome oft untypisch sind. Bei Jüngeren mit einer Lungenentzündung treten meistens Fieber, Husten sowie allgemein Symptome wie Schmerzen im Thorax auf. Hingegen ist das bei einer Lungenentzündung bei alten Menschen oft nicht der Fall. Denn akutes Fieber tritt in 50% der Fälle als Leitsymptom gar nicht auf. Und wenn es doch dazu kommt, dann ist das Fieber meistens schwächer als bei jüngeren Patienten. Es gilt der Merksatz: »The older, the ­colder«.

Häufig sind die ersten Symptome ganz unspezifisch. Das heißt, dass sich der Allgemeinzustand des Patienten dann verändert. Beispielsweise schwächelt er dann und stürzt viel leichter. Oder er ist verwirrt und unruhig und beklagt gastrointestinale Störungen.

Das sind ganz allgemeine Symptome, bei denen man nicht sofort daran denkt, dass dahinter eine Lungenentzündung stecken könnte. Wenn man allerdings an Lungenentzündung bei alten Menschen denkt, dann ist die Diagnosestellung durch Röntgen meistens möglich.

Nicht alle alten Menschen mit Lungenentzündung haben auch Fieber. Akutes Fieber tritt in 50% der Fälle als Leitsymptom gar nicht auf. Und wenn doch, dann oft schwächer als bei jüngeren Patienten. Es gilt der Merksatz: »The older, the ­colder«.

 

Erregernachweis bei Lungenentzündung bei alten Menschen

Ein Erregernachweis ist im ambulanten Bereich – also vor allem beim niedergelassenen Arzt – sehr schwer durchführbar. Denn Untersuchungen im Blut brauchen mehr Zeit. Und wenn dann ein Resultat vorliegt, ist in den meisten Fällen der Patient durch eine Antibiotikatherapie bereits wirksam behandelt. Und er ist dann meistens auch wieder vollkommen gesund. Im Krankenhaus kann man hingegen durch Blutkulturen und eventuell auch durch bronchologische Absaugung den Erreger rechtzeitig finden. Mittlerweile treten bei einer Antibiotikatherapie zunehmend Resistenzen auf.

 

Therapie mit Antibiotika bei Lungenentzündung bei alten Menschen

Es gibt einiges Beachtenswertes in der Antibiotikatherapie bei Lungenentzündung bei alten Menschen. Einerseits treten bei Älteren etwas häufiger Erreger auf, die resistent sind. Außerdem gibt es aufgrund von Multimorbidität bei älterer Menschen häufiger Komplikationen bei der Antibiotikatherapie bezüglich Verträglichkeiten.

Grundsätzlich wenden ältere Leute mehr Medikamente gleichzeitig ein, was die Wahrscheinlichkeit von Neben- und Wechselwirkungen stark erhöht. Und einige häufig verschriebene Medikamente beeinträchtigen speziell die Wirksamkeit einer Antibiotikatherapie:

  • Beispielsweise Medikamente, die die Magensäure unterdrücken – wie H2-Blocker und Protonenpumpenhemmer, die die Resorption, die Aufnahme, der Antibiotika behindern können.

  • Weiter kann es mit bestimmten Blutdruckmittel oder einigen Statinen zu Neben- und Wechselwirkungen bei der Antibiotikatherapie kommen.

Auf diese allgemeine Problematik muss der Arzt besonders achten. Wobei bereits der Erstkontakt mit dem Patienten eine Zuteilung in drei Risikogruppen ermöglicht (siehe Tabelle).

Risikobeurteilung bei Lungenentzündung bei alten Menschen und mögliche Therapien.
Risikobeurteilung bei Lungenentzündung bei alten Menschen und mögliche Therapien.

Für die genannte Co-Morbiditäten sind vor allem Malignome, chronische Nierenerkrankungen, COPD, Diabetes mellitus, neurologische sowie kardiovaskuläre Erkrankungen – wie Herzinsuffizienz – verantwortlich.

Der geriatrische Grundsatz »start low, go slow« gilt für die Antibiotika-Therapie nicht, denn man sollte Antibiotika bei Lungenentzündung ausreichend hoch dosiert und lange genug einsetzen. Und zwar länger als bei jüngeren Patienten. Das ist wichtig, denn oft mangelt es an der sachgemäßen Dosierung.

 

Wie eine Antibiotika-Therapie bei Lungenentzündung bei alten Menschen durchgeführt wird

Bei der Antibiotika-Therapie sollte ein Antibiotikum bei Lungenentzündung von Beginn an ausreichend hoch dosiert und außerdem lange genug eingesetzt werden. Nur so kann man eine ausreichende Wirkung erzielen. Dabei kann es durchaus nötig sein, während der Antibiotikatherapie andere Medikamente – wie z.B. Cholesterinsenker – kurzfristig abzusetzen. Bei Blutdruckmittel – Antihypertonika – muss das im Normalfall allerdings nicht geschehen.

Die Antibiotikatherapie der Lungenentzündung bei alten Menschen im Alter sollte wie bei jüngeren Patienten je nach Risikogruppe und Schweregrad erfolgen. Siehe dazu auch die Tabelle oben:

  • Milde Lungenentzündung bei alten Menschen: Aminopenicillin, Cephalo II/III oder Makrolide oral

  • Mittelschwere Lungenentzündung bei alten Menschen: Aminopenicillin mit Clav. +/– Makrolide, Cephalo II/III +/– Makrolide, Chinolone III/IV.

  • Bei schwerer Lungenentzündung bei alten Menschen: Aminopenicillin mit Clav. + Makrolide iv, Cephalo III + Makrolide iv, Chinolone III/IV iv.

Die Gruppe der Ketolide wie Telithromycin ist eine gute Alternative für die Antibiotikatherapie der zuhause erworbenen Lungenentzündung. Denn die Ketolide wirken auch bei Penicillin und Makrolid resistenten Pneumokokken – bei H. influenzae und bei Moraxella cathar­ralis – noch. Ebenfalls helfen sie bei Mykoplasmen und Chlamydien. Wobei man eine Behandlung mit Cholesterinsenkern (Statine) speziell bei einer Antibiotikatherapie mit Ketolide abgesetzen sollte.

Der geriatrische Grundsatz »start low, go slow« gilt wie oben erwähnt für die Antibiotikatherapie grundsätzlich nicht. Man sollte eben unbedingt die Substanzen ausreichend hoch dosiert und lange genug einsetzen – länger als bei jüngeren Patienten. Das ist ein sehr wichtiges Detail. Denn Antibiotika werden im Rahmen der Behandlung der Lungenentzündung bei alten Menschen oft nicht sachgemäß dosiert.

 

Antibiotika-Therapie im ambulanten Bereich

Manchmal kann es sein, dass sich bei einem alten, sehr kranken Patienten der Allgemeinzustand plötzlich ändert. Und es kann auch sein, dass es dafür keine plausible Erklärung gibt. Der Arzt muss dann auch sofort an eine Infektion denken.

Eine Möglichkeit ist dabei, im Labor zu untersuchen, ob Entzündungszeichen im Blut sind. Dabei ist die zeitliche Komponente wie erwähnt zu berücksichtigen. Weitere Möglichkeiten sind, dass man einen Harnbefund – Richtung Harnwegsinfekt – und ein Lungenröntgen – Richtung Lungenentzündung veranlasst. Der Infekt der Harnwege und die Lungenentzündung sind die zwei häufigsten Infekte bei alten Menschen.

Schließlich könnte man bei Verdacht auf eine Infektion beziehungsweise auch sofort mit der Antibiotika-Therapie beginnen. Dies einerseits, wenn man dem Patienten die erwähnten Untersuchungen ersparen will. Beziehungsweise andererseits, wenn diese Untersuchungen nicht so leicht und zeitgerecht zu organisieren sind. Die Option früher Beginn ist aber alles andere als optimal.

 

Lungenentzündung vorbeugen

Im Sinne der Vorbeugung sind vor allem bei alten Menschen die Grippeimpfung sowie die Pneumokokkenimpfung mit geeigneten Impfstoffen zu überlegen. Eine sehr wichtige vorbeugende Wirkung hat aber auch die ­richtige Ernährung. Und zudem sollte man auf ausreichend viel Flüssigkeit achten. Allgemein müssen Ärzte und Pflegepersonal sowie Angehörige und auch die Patienten selbst auch Mangelzustände vermeiden. Ältere Menschen vergessen oft, eine ausreichende Menge zu trinken, was sich negativ auf den Allgemeinzustand auswirken kann.

Nützlich ist weiters ­eine Sanierung der Zähne, um Infektionsquellen und so eine Schwächung des Immunsystems zu verhindern. Ältere Menschen sollten auch leichte chronische Infekte der oberen Atemwege – wie Sinusitis oder Tonsillitis – keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen. Denn sehr schnell können die Keime auf die tieferen Atem­wege übergreifen.

Bei geriatrischen Patienten ist vorbeugend auch eine Stärkung des Immunsystems zu überlegen, um die Abwehrleistung allgemein zu verbessern. Das sollten auch Angehörige oder Betreuer bedenken, wobei  eine geriatrische Einrichtung dies einfacher steuern kann.


Literatur:

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Quellen und weitere Informationen:

Pneumonien bei ­geriatrischen Patienten. Prim. Dr. Helfried Feist im Gespräch zu Lungenentzündung bei alten Menschen. MEDMIX 1-2/2006; S61-64.

Lungenentzündung im Alter – ein medizinischer Notfall. https://medmix.at/lungenentzuendung-im-alter-medizinischer-notfall/

Grippe und Lungenentzündung https://medmix.at/grippe-und-lungenentzuendung/

http://www.care.com/senior-care-caring-for-seniors-with-pneumonia-and-the-flu-p1143-q317308.html

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