Samstag, April 20, 2024

Erfolgsgeschichte des Kampfes gegen Krebserkrankungen im Kindesalter

Während der vergangenen fünf Jahrzehnte wurden weltweit große Fortschritte hinsichtlich Verständnis, Diagnostik und Behandlung von Krebserkrankungen im Kindesalter erzielt.

Einen umfassenden Überblick über die Erfolgsgeschichte des Kampfes gegen Krebserkrankungen im Kindesalter zu geben ist allerdings angesichts der vielfältigen Ereignisse keine einfache Aufgabe. Man muss sich dabei auf einige wenige Höhepunkte beschränken. Im Blickpunkt stehen einerseits epidemiologische Aspekte sowie therapeutische Errungenschaften und andererseits in weiterer Folge die wichtigsten Meilensteine der Entwicklung des Kampfes gegen Krebs im Kindesalter.

Spezielle Höhepunkte sind auf die bessere Kenntnis der Biologie der spezifischen bösartigen Erkrankungen und der grundlegende Behandlungsphilosophie in der pädiatrischen Onkologie zurückzuführen.

 

Epidemiologie

Unter dem Strich sind Krebserkrankungen im Kindesalter an und für sich äußerst selten. Und zwar mit einer Inzidenz von 12 bis 14 Fällen pro 100.000 Kinder und Jahr. Eine Reihe der Krebsarten sind ausschließlich auf das Kindesalter beschränkt, während Karzinome, die die häufigsten Krebsformen bei Erwachsen darstellen, bei Kindern eine Rarität sind (<1%). Die Inzidenz von Krebserkrankungen unterscheidet sich im Kindesalter beziehungsweise bei Jugendlichen dabei nach Alter und Geschlecht.

Beispielsweise ist erwiesen, dass die Hälfte der Krebserkrankungen im Kindesalter während der ersten 5 Lebensjahren auftritt. Zudem betreffen sie in allen Altersgruppen vor allem Knaben.

Die relative Häufigkeit der verschiedener Krebserkrankungen unterscheidet sich auch eindrucksvoll, wenn man das Kindesalter mit dem Adoleszentenalter vergleicht.

Zum Beispiel ist die akute Leukämie die am häufigsten auftretende Krebserkrankung im Kindesalter, gefolgt von den typischen embryonalen Tumoren wie Wilmstumor, Neuroblastom und Rhabdomyosarkom.

Hingegen kommen Lymphome, Schilddrüsen Tumoren und Melanome deutlich häufiger im Jugendalter vorkommen.

 

Die wohl eindrucksvollste Errungenschaft der vergangenen Jahrzehnte war die signifikante Senkung der Todesraten bei Krebserkrankungen im Kindesalter und bei Jugendlichen!

Die Daten einer wegweisenden epidemiologischen Studie in den USA, dem sogenannten NCI SEER Programm, zeigten zwischen 1975 und 1999 eine kontinuierliche Abnahme der Todesraten bei krebskranken Kindern um 50%. Dies bedeutet eine Abnahme von 50 auf ungefähr 25 Todesfälle pro 1 Million Bevölkerung.

Die 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit für alle Krebserkrankungen im Kindesalter stieg stetig von unter 10% auf 20% in den 50iger Jahren. Und auf über 75% im Jahr 2000 an.

Da die meisten Rückfälle während der ersten 2 bis 3 Jahren nach Therapiebeginn auftreten, kann man davon ausgehen, dass das Langzeit-Überleben mit einer dauerhaften Heilung gleichzusetzen ist.

Die Heilungsrate erreichte bei Hodgkin Lymphomen und Retinoblastomen eine Wahrscheinlichkeit von über 90%, bei akuten Leukämien, Non-Hodgkin Lymphomen, Wilms Tumoren und Keimzelltumoren über 80%. Zweifelsfrei hat der Einsatz von Chemotherapie in der multimodalen Behandlung in erheblichem Maße zu dieser Verbesserung beigetragen.

 

Optimierung der Behandlungsverfahren bei Krebs im Kindesalter

Zu dem spektakulären Anstieg der Heilungsraten hatten einige ganz wesentliche Faktoren beigetragen. Den allerwichtigsten Beitrag lieferte zweifelsohne die Optimierung der Behandlungsverfahren in Therapie-Optimierungsstudien. Diese hatten das Ziel, die Wirkung der Krebstherapie zu verstärken mit gleichzeitiger Reduktion der toxischen Nebenwirkungen.

Die Verbesserung der Diagnostik und die Einführung standardisierter supportiver Maßnahmen waren weitere Schritte auf diesem Erfolgskurs. In diesem Zusammenhang muss man die Einführung von allgemein gültigen Stadien-Einteilungen (Staging Systeme), die Anpassung der Intensität der Behandlung an das zugrunde liegende Krankheitsrisiko sowie die präoperative (auch neoadjuvante genannte) Therapie erwähnen. Diese Faktoren ermöglichen den behandelnden Ärzten die Anpassung der Therapie an die individuellen Bedürfnisse der Patienten.

Die Beobachtung und Erfassung des frühzeitigen Ansprechens auf die Chemotherapie und die methodischen Möglichkeiten des Nachweises der minimalen Resterkrankung (Minimal Residual Disease, MRD), deren Einbezug in die Therapieentscheidungen mehr und mehr zum Standard wurde, erlauben eine frühzeitige Überlebensprognose zu stellen und somit die Therapien zeitgerecht zu modifizieren und dem Rückfallsrisiko anzupassen.

Weiter sind nicht unwesentliche Gründe der Erfolgsbilanz auch auf die bevorzugte Zuweisung krebskranker Patienten in spezialisierte Zentren und die Einführung großflächiger nationaler und internationaler Kooperationen in Diagnostik und Behandlung.

Die Erfahrungen des Kindes mit Krebs im Kindesalter sind ebenfalls entscheidend für eine evidenzbasierte Versorgung. Vor allem auch Alltagserfahrungen krebskranker Kleinkinder sind für die Therapie von großer Bedeutung. Eine aktuelle Studie zeigte beispielsweise, dass Kleinkinder mit Krebs Zugang zu Gleichaltrigen und Vorschulkindern sowie ständigen Kontakt zu ihnen braucht. Erforderlich ist auch eine strukturierte Nachsorge während des gesamten Krebsverlaufs und nicht nur während der aktiven Behandlung. Eine kindzentrierte Pflegephilosophie hilft dem Kind zum Erreichen von Gesundheit und Wohlbefinden.

 

Zusammenfassung

Abschließend lässt sich festhalten, dass offensichtlich die Heterogenität der Krebserkrankungen im Kindesalter sehr groß ist und vorerst die Hintergründe der unterschiedlichen natürlichen Verlaufsformen nur andeutungsweise zu erkennen sind. Die Herausforderung der kommenden Jahre wird sein, ein besseres Verständnis der Biologie dieser Erkrankungen zu finden, um an die individuellen Bedürfnisse angepasste Therapiekonzepte zu entwickeln.

Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte haben eindrucksvoll gezeigt, dass dieser Weg bei Krebs im Kindesalter zum Erfolg führt. Es bleibt zu hoffen, dass durch die Umsetzung des wachsenden Wissens über hämatologischen beziehungsweise onkologischen Erkrankungen im Kindesalter das Ziel erreicht werden kann, alle krebskranken Kinder einer Heilung zuzuführen.


Literatur:

Tumin D. Commentary: Health insurance and children’s survival after cancer diagnosis: mediation or confounding? [published online ahead of print, 2020 Sep 2]. Int J Epidemiol. 2020;dyaa145. doi:10.1093/ije/dyaa145

Darcy L, Enskär K, Björk M. Young children’s experiences of living an everyday life with cancer – A three year interview study. Eur J Oncol Nurs. 2019;39:1-9. doi:10.1016/j.ejon.2018.12.007

Ruland CM, Hamilton GA, Schjødt-Osmo B. The complexity of symptoms and problems experienced in children with cancer: a review of the literature. J Pain Symptom Manage. 2009;37(3):403-418. doi:10.1016/j.jpainsymman.2008.03.009

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