Donnerstag, April 25, 2024

Hodendrehung, Hodentorsion: Hodenschmerzen bei jungen Patienten sind immer ein Notfall

Hodenschmerzen sind bei jungen Patienten immer ein Notfall mit Gefahr der Zeugungsunfähigkeit. In 20% der Fälle liegt eine Hodendrehung, Hodentorsion, vor.

Unter dem Strich muss man plötzliche und starke Hodenschmerzen bei jungen Patienten beziehungsweise Kindern sehr ernst nehmen. Und zwar sollte der junge Patient dann schnellstmöglich zu einem Kinderchirurgen beziehungsweise zu einem Kinderurologen. Denn in etwa 20 Prozent der Fälle liegt eine Hodendrehung, eine Hodentorsion, vor. Und dann sollte man jedenfalls innerhalb weniger Stunden die Hoden operieren, um ernsthafte Schäden zu vermeiden.

 

Hodentorsion – Hodendrehung – kann unbehandelt das Hodengewebe beeinträchtigen

Bei einer Hodentorsion, wie eine Hodendrehung medizinisch bezeichnet wird, kann eine Störung der Blutzirkulation durch die versorgenden Gefäße vorliegen. Es kommt zu Hodenschmerzen, die unbehandelt bereits nach sechs bis acht Stunden zum Absterben von Hodengewebe führen kann. Dies kann zu dauerhaft verminderter Fruchtbarkeit führen, auch äußerlich kann das Genital beeinträchtigt werden.

Altersabhängig sind oliven- bis pflaumengroße Organe, die im Hodensack – dem sogenannten Skrotum – in voneinander getrennten Fächern untergebracht sind. Ihre Hauptfunktion besteht darin, männliche Geschlechtshormone wie Testosteron und – mit einsetzender Pubertät – auch Samenzellen (Spermien) zu produzieren.

 

Plötzliche, starke Hodenschmerzen durch verminderte Blutversorgung

Wenn sich der Hoden mit dem Nebenhoden um den Samenstrang dreht, dann sprechen Experten von einer Hodentorsion. Bei der Hodendrehung wird die Blutversorgung des betroffenen Hodens vermindert, dadurch können die Hoden plötzlich und stark schmerzen. Weiter kann es zu Schwellung und Rötung eines Hodens, seltener beider Hodenfächer führen.

Im Grunde genommen ist das Hodengewebe sehr empfindlich. Und wenn die Blutzufuhr komplett unterbrochen ist, dann sterben die spermienbildenden Zellen nach spätestens sechs bis acht Stunden ab. Die hormonproduzierenden Zellen, die man auch als Leydig-Zellen bezeichnet, gehen nach etwa zwölf Stunden zugrunde. Und dann droht überhaupt der Verlust des Hodens.

Eine Hodentorsion kann übrigens in jedem Lebensalter auftreten. Ursache sind oft besonders locker befestigte und damit im Hodenfach sehr bewegliche Hoden. Kinder mit einem verspäteten, also nicht bis zur Geburt erfolgten Abstieg eines oder beider Hoden in den Hodensack haben ein bis zu zehnfach erhöhtes Risiko für eine Hodentorsion. Im Kindes- und Jugendalter gibt es jedoch Besonderheiten gegenüber Erwachsenen, die Diagnose und Therapie erschweren.

 

Hodenschmerzen von jungen Patienten in der Pubertät oft aus Scham hingenommen

Dies hängt auch mit den zwei Altersgipfeln der Hodendrehung bei jungen Patienten zusammen. Neben einem kleineren Häufigkeitsgipfel für die Hodentorsion im ersten Lebensjahr sind vor allem Knaben zwischen dem 12. und 18. Geburtstag mit etwa 65 Prozent aller Ereignisse betroffen. Das Risiko zu erkranken, liegt hier bei 1:4000.

Während sich die sehr kleinen Patienten noch nicht präzise zu Hodenschmerzen äußern können, tun das betroffene Jungen in der Pubertät oft aus Scham nicht. Oder sie tun das manchmal auch zu spät. Das kann dazu führen, dass die Drehung oft schon Stunden zurück liegt, bis die Patienten beim Spezialisten landen. Und dann ist die Prognose für den Hoden trotz zügig eingeleiteter Operation entsprechend schlecht. Deshalb muss man ein akutes Skrotum auch immer als einen Notfall mit höchster Dringlichkeit betrachten.

 

Akutes Skrotum

Für die Diagnose ist eine gründliche Untersuchung des gesamten Genitals und seiner Umgebung entscheidend. Diese sollte immer auch eine Ultraschalluntersuchung einschließlich des sogenannten Farbdopplers beinhalten. Damit können wir die Qualität der Durchblutung der Hoden überprüfen.

Zudem gelte es, weitere infrage kommende Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen auszuschließen oder sie angemessen zu behandeln – dann in der Regel mit anderen Therapien, die als ersten Schritt nicht unbedingt eine Operation vorsehen.

Zu diesen Erkrankungen gehören etwa eine Torsion von Anhangsgebilden an Hoden oder Nebenhoden – sogenannte Hydatiden, Hodenentzündungen oder Hodentumore.

Der Begriff „Akutes Skrotum“ gilt als Überbegriff und Leitdiagnose bis zur Sicherung der genauen Ursache für die Beschwerden.

Wenn jedenfalls trotz zeitgerechter Ausschöpfung aller Untersuchungstechniken der geringste Zweifel an einer ausreichenden Durchblutung des betroffenen Hodens besteht, dann sollte man operieren und notfallmäßig das betroffene Hoden-Fach öffnen – mit Inspektion des Hodens und adäquater Therapie.

 

Hoden operieren – die Orchidopexie

Bei der Operation wird der betroffene Hoden in seine ursprüngliche Lage zurück gedreht, sodass die Durchblutung wieder möglich ist und der Hoden erhalten werden kann. Auch wird er mit zwei bis drei Nähten gesondert im Hodenfach befestigt; man bezeichnet diesen Teil des Eingriffs auch als Orchidopexie. Die aktuelle Leitlinie empfiehlt die Orchidopexie auch für den bislang unauffälligen Hoden auf der Gegenseite, um so einer möglichen Hodentorsion vorzubeugen.

Nur wenn der Hoden unwiederbringlich geschädigt ist, muss er entfernt werden“, betont Tillig. Eine prothetische Versorgung des leeren Hodenfaches ist heute Teil der Nachsorge für alle Patienten, die einen Hodenverlust erlitten haben und deren Körperwachstum abgeschlossen ist. Dabei setzen die Chirurgen ein Implantat aus Kunststoff ein. Das sieht dann schließlich so aus wie ein Hoden und hühlt sich auch so an.


Literatur:

William Gossman; Michael P. Boniface; Michael Mohseni. Acute Scrotum Pain. StatPearls [Internet]. Last Update: February 25, 2020.

Tiwana MS, Leslie SW. Anatomy, Abdomen and Pelvis, Testicle. In: StatPearls. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2020.


Quellen:

Statement Kinderchirurg Professor Dr. med. Christian Lorenz, federführend bei der Erstellung der Leitlinie Akutes Skrotum der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH).

Leitlinie Akutes Skrotum im Kindes- und Jugendalter. Klassifikation S2k;

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