Donnerstag, März 28, 2024

Geschichte von HIV und AIDS: als Anfang der 1980-er Jahre alles begann

Mit einem legendären Bericht des CDC – Center for Disease Control – über Krankheiten und Sterblichkeit in den USA begann eigentlich im Jahr 1981 die Geschichte von HIV und AIDS.

Im Grunde genommen begann eigentlich die Geschichte von HIV und AIDS. Denn Forscher haben am 4. Juni 1981 in ihrem CDC-(Center for Disease Control)-Bericht erstmals über eine neue und lebensbedrohliche Erkrankung mit massiven, schweren Störungen der Immunabwehr berichtet. Darin hieß es, dass im Zeitraum von Oktober 1980 bis Mai 1981 fünf junge Männer – alle aktive Homo­sexuelle – in drei verschiedenen Spitälern in Los Angeles, Kalifornien, wegen einer Pneumocystis carinii-Lungenentzündung behandelt wurden, die durch Biopsie bestätigt wurde. Zwei der Patienten starben. Die älteste nachgewiesene Dokumentation zu einer HIV-Infektion stammt aus dem Jahr 1959.



 

Wie HIV und AIDS zu medizinischen Fachgebieten zugeordnet wurden

In den folgenden Jahren wurden auf internationalen Fachkongressen HIV und AIDS intensiv thematisiert. Beispielsweise wurde die Dermatologen über Fälle von Kaposi-Sarkomen bei jungen Patienten informiert, was bis dahin so nicht bekannt war.

Doch nicht AIDS selbst führte zu einer spezifischen Zuordnung der Immunschwäche-Erkrankung zu einem medizinischen Fachgebiet. Vielmehr waren es die jeweiligen Folgeerkrankungen.

Wenn Patienten mit der eigenartigen und zunächst unerklärbaren Störung des Immunsystems vermehrt Pneumocystis carinii-Pneumonien bekamen, landeten sie auf den Lungenabteilungen. Sonst waren diese Lungenentzündungen bis dahin nur sehr selten und bei schwer Immungeschwächten aufgetaucht. Man ordnete den neuen Virus einem ganz bestimmten Personenkreis zu. Man glaubte, dass es sich bei AIDS um eine Erkrankung von Homosexuellen und Drogen­abhängigen handelte.

Und wirklich halfen Drogensubstitution von Opiat-Abhängigen sowie die schnelle ­Organisation von Spritzentauschprogrammen, das Infektionsrisiko unter Süchtigen zu verringern. Freilich, Hilfe konnten die Ärzte den AIDS-Patienten in den Anfangszeiten der Immunschwächekrankheit eigentlich keine anbieten. Es gab vorweg nichts, doch die Forschung entwickelte sich sehr schnell.

 

Erste AIDS-Stationen ab 1984

Bereits ab 1984 und 1985 entwickelten sich in Europa die ersten AIDS-Stationen, 1985 folgten die ersten Publikationen über wirksame AIDS-Medikamente.

Ein wichtiger österreichischer wissenschaftlicher Beitrag zur AIDS-Forschung gelang einem Team um den Dermatologen Prof. Stingl im Jahr 1985/1986. Die Forscher konnten damals nachweisen, dass HI-Viren auch die in der Haut patrouillierenden Langerhans-Zellen über den Rezeptor CD4 infizieren können.



In jenen Tagen gelang es in mehreren westeuropäischen Ländern sehr schnell, Informations- und Betreuungsinstitutionen aufzubauen. Diese bekämpften wirksam Vorurteile und Diskriminierungsversuche gegen­über HIV-Positiven.

Die echte Wende kam allerdings erst 1994/95. Da wurde die Highly Active Antiretroviral Therapy (HAART) durch die Kombination der so genannten Reverse Transkriptase Hemmer (AZT, Nevirapin etc.) mit den Protease-Hemmern (Ritonavir etc.) für die AIDS-Patienten möglich.

HAART war der Startschuss dafür, dass die HIV-Infektion zu einer chronisch gut behandelbaren Erkrankung geworden ist. Sie fordert von den Patienten allerdings auch heute noch ein hohes Maß an Disziplin ein.

 

HIV und AIDS ging um die Welt

HIV und AIDS ging binnen zwei Jahrzehnten ab der Entdeckung der ersten Erkrankungsfälle zu Beginn der achtziger Jahre um die Welt: AIDS wurde mit dem erwähnten Bericht des US-Center for Disease Control in Atlanta am 5. Juni 1981 als neue Krankheit definiert.Doch die Geschichte von HIV ist wesentlich älter.

Der britische Wissenschafter Prof. Paul Sharp aus Nottingham, der federführend an der Aufklärung des Ursprungs von HIV mitgearbeitet hatte, erklärte weiland, dass HIV aus dem Tierreich, von Affenviren, käme. Diese Affenviren sind mindestens drei Mal auf den Menschen übergesprungen.

Zu HIV-1 kam es durch eine Übertragung von Tier zu Mensch vor etwa 80 Jahren. Am ehesten dürfte der Konsum von Affenfleisch in Afrika der Auslöser gewesen sein. Durch die damals noch geringe Reise­tätigkeit verbreitete sich das Virus zunächst allerdings nicht weltweit. Für das Entstehen der Epidemie war vermutlich das Vordringen des Virus in eine Großstadt entscheidend. Das dürfte in Kinshasa geschehen sein.



 

Chronologie der Geschichte von HIV und AIDS

  • Aus dem Jahr 1959 stammt die älteste sicher dokumentierte HIV-Infektion. Sie wurde später in der Blutprobe eines Afrikaners nachgewiesen.
  • Zu Beginn der achtziger Jahre wurden zunächst in Kalifornien und dann in New York gehäuft neuartige Krankheitsbilder beobachtet. Allen gemein sind ausgeprägte und schwere Störungen der Immunabwehr.
  • 1981 melden die US-Gesundheitsbehörden, dass immer mehr Homosexuelle an sonst extrem seltenen Lungenentzündungen (Pneumocystis carinii) und bis dahin seltenen Hauttumoren (Kaposi Sarkom) leiden. Am 5. Juni 1981 beschreibt die US-Gesundheitsbehörde CDC erstmals offiziell die zu­nächst mysteriösen Krankheitsfälle. Auf die Spur der Krankheit sind die US-Epidemiologen auch gekommen, weil immer mehr Verschreibungen des gegen die Pneumocystis carinii wirkenden Medikaments Pentamidin registriert werden.
  • 1982 bekommt die Krankheit den Namen AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome/erworbene Immunschwäche) und taucht auch in Europa auf.
  • 1983 isoliert ein Team um den Virologen Luc Montagnier in Paris das AIDS-Virus. Auch der Amerikaner Robert Gallo nimmt diesen Erfolg für sich in Anspruch. Ein langer Streit zwischen beiden Wissenschaftern ist die Folge.
  • 1984 entwickelt Robert Gallo ein Zellkultursystem und schafft damit die Voraussetzung für die Entwicklung erster AIDS-Tests.
  • 1985 findet das Team um Montagnier mit HIV-2 den zweiten Typ des AIDS-Virus.

 

Therapiefortschritte

  • 1987 wird das AIDS-Medikament AZT, Azi­dothymidin in den USA und wenig später auch in Europa zugelassen. Es schafft erstmals eine Möglichkeit zur Behandlung der Betroffenen. Noch nie zuvor sind so schnell Tests und Arzneimittel ­gegen eine neu entdeckte Virusinfektion entwickelt worden.
  • 1988 ergeben Untersuchungen, dass sich die Immunschwächekrankheit in Zentral- und Ostafrika rasant ausbreitet. Erste Impfstudien mit gentechnisch hergestellten HI-Virus-Proteinen beginnen.
  • 1992 starten in den USA  kontrollierte Studien mit Impfstoffen an Probanden. Sie bringen aber keinen Durchbruch.
  • 1993 zeigen erste klinische Studien an Patienten die hohe Wirksamkeit einer Kombinationstherapie aus Medikamenten, die ähnlich wie AZT wirken (Reverse Transkriptase-Hemmer) und neu entwickelten Substanzen (Protease-Inhibitoren).
  • In den Jahren 1995 und 1996 beginnt der Siegeszug der hoch wirksamen HAART-Kombinationstherapie gegen die HI-Retroviren beginnt. Seither hat sich die Zahl der AIDS-Todesfälle in jenen Staaten, in denen die Betroffenen Zugang zu diesen Medikamenten haben, dramatisch verringert. Für Aufsehen sorgt auch die Entdeckung, dass einige Menschen eine genetisch bedingte, wenn auch nicht vollständige Resistenz gegen HIV haben. Das Virus benötigt für das Eindringen in Zellen deren CD4-Rezeptoren sowie Co-Rezeptoren als Andockstellen. Genetisch bedingte Mutationen der Co-Rezeptoren bieten offenbar Schutz vor HIV und AIDS.



 

Zahlreiche Medikamente gegen HIV und AIDS verfügbar

Heutzutage sind zahlreiche Wirkstoffe gegen HIV und AIDS zugelassen und klinisch im Einsatz. Trotz Aufklärungskampagnen, Präventionsmöglichkeiten bei der HIV- Übertragung, sowie der Verfügbarkeit der antiretroviralen Therapie, die wiederum zu einer massiven Verringerung der Übertragungswahrscheinlichkeit führt, gehen die HIV-Neuinfektionen allerdings nicht zurück.

Schließlich ist die Präexpositionsprophylaxe – HIV-PrEP – seit einiger Zeit eine neue, weitere Strategie im Kampf gegen HIV-Infektionen. Dabei schützt die prophylaktische Einnahme von antiretroviralen Medikamenten HIV-negative Personen mit hohem HIV-Ansteckungsrisiko vor einer Infektion.

Die zahlreichen therapeutischen Entwicklungen in der Geschichte von HIV und AIDS haben dazu geführt, dass sich die lebensbedrohliche und tödliche Immunschwäche zu einer chronischen Erkrankung entwickelte.

Aktuell stellt die Coronavirus-Erkrankung COVID-19 in der Corona-Pandemie erhebliche Risiken für die Kontinuität der HIV-Dienste dar. Das gilt insbesondere in Ländern mit hoher HIV-Prävalenz und schwachen und überlasteten Gesundheitssystemen. Laut einer kleinen aber aktuellen italienischen Studie haben aber HIV-Patienten bei einer COVID-19-Erkrankung ein vergleichbares klinisches Erscheinungsbild mit der Allgemeinbevölkerung.




Literatur:

Golin R, Godfrey C, Firth J, et al. PEPFAR’s response to the convergence of the HIV and COVID-19 pandemics in Sub-Saharan Africa. J Int AIDS Soc. 2020;23(8):e25587. doi:10.1002/jia2.25587

Chayama KL, Ng C, McNeil R. Calls for Access to Safe Injecting Supplies as a Critical Public Health Measure During the COVID-19 Pandemic [published online ahead of print, 2020 Aug 4]. J Addict Med. 2020;10.1097/ADM.0000000000000712. doi:10.1097/ADM.0000000000000712

Carillon S, Gallardo L, Linard F, et al. Perspectives of injectable long acting antiretroviral therapies for HIV treatment or prevention: understanding potential users‘ ambivalences [published online ahead of print, 2020 Mar 19]. AIDS Care. 2020;1–7. doi:10.1080/09540121.2020.1742869

Boffito M, Ryom Nielsen L, Spinner C, et al. Clinical management of ageing people living with HIV in Europe: the view of the care providers [published online ahead of print, 2020 Mar 20]. Infection. 2020;10.1007/s15010-020-01406-7. doi:10.1007/s15010-020-01406-7

Shadyab et al. HIV/AIDS Securitization: Outcomes and Current Challenges. Curr HIV Res. 2017;15(2):78-81. doi: 10.2174/1570162X15666170516163834.


Quelle: Lena Abensberg. Geschichte von HIV und AIDS: als Anfang der 1980-er Jahre alles begann. MEDMIX online 2017

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