Freitag, April 19, 2024

Herz-Kreislauf-Erkrankung bei diversen Diabetes-Subtypen

Komplikationen bei Diabetes sind die diabetische Nieren-, Nerven- und Augenschädigung sowie das erhöhte Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung wie Herzinfarkt und Schlaganfall.

Typ-2-Diabetes ist eine durch Blutzuckererhöhung gekennzeichnete Erkrankung, für die die genauen Ursachen bislang nicht ausreichend geklärt werden konnten. Die Formen dieser Krankheit sind oft so unterschiedlich, dass die behandelnden Ärzte bereits lange vermuten, dass es sich hier nicht um eine einheitliche Krankheit handelt, sondern vielmehr um eine Krankheitsgruppe mit unterschiedlichen Sub- oder Endotypen. Dafür spricht auch, dass die Entwicklung von Diabeteskomplikationen, die den eigentlichen Leidensdruck bei Typ-2-Diabetes definieren, von Patientin zu Patientin beziehungsweise von Patient zu Patient sehr unterschiedlich ist. Solche Komplikationen bei Diabetes bei sind die diabetische Nieren-, Nerven- und Augenschädigung sowie Gefäßkomplikationen wie das erhöhte Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Zudem ist die häufig unerkannt bleibende diabetische Herzschwäche eine Folgekrankheit, die mit hoher Sterblichkeit einhergehen kann.

Durch eine Cluster-Analyse basierend auf sechs Variablen, die die Heterogenität bei Diabetes grundlegend charakterisieren, wurden in einer skandinavischen Arbeit fünf Endotypen des Diabetes identifiziert (Ahlqvist et al. 2018) und anschließend in der multizentrischen deutschen
Diabeteskohorte (German Diabetes Study, GDS) mit Hauptstandort am Deutschen Diabetes-Zentrum in Düsseldorf validiert und präzisiert (Zaharia et al. 2019).

 

Subgruppe mit Insulinmangel entwickelt Retinopathie, während die Subgruppe mit der größten Insulinresistenz eine hohe Rate an diabetischer Nierenschädigung aufweist

Drei von diesen Endotypen wurden als schwerer, zwei als milder Diabetes beschrieben. Überraschend war eine Gruppe, die als schwerer insulindefizienter Diabetes (severe insulin deficient diabetes, SIDD) benannt wurde und ähnliche Eigenschaften wie der autoimmunbedingte Typ-1-Diabetes aufwies. Eine deutlich reduzierte Insulinproduktion und Häufung von diabetischer Retinopathie. Zudem fiel diese Gruppe mit einer erhöhten Inzidenz von diabetischer Nervenschädigung auf.

Eine weitere Gruppe mit schwerem Diabetes war das Cluster severe insulin resistant diabetes, SIRD. Patientinnen und Patienten in diesem Cluster waren durch eine ausgeprägte Insulinresistenz gekennzeichnet.

In der GDS-Kohorte entstand bei beinahe einem Viertel dieser SIRDGruppe eine diabetische Nephropathie bereits fünf Jahre nach der Diagnose. Dabei ist die Entstehung des Typ-2-Diabetes ein schleichender Prozess. Viele Personen, die später Diabetes entwickeln, verweilen über Jahre hinweg in einer Übergangsphase, die Prädiabetes benannt wird (R. Wagner, Häring and Fritsche. 2014).

Ein Drittel der Patienten mit neu diagnostiziertem Diabetes weist zur Zeit der Erstdiagnose bereits Komplikationen auch im Sinne einer Herz-Kreislauf-Erkrankung auf auf. Darüber hinaus kann man epidemiologisch bereits im Prädiabetes eine Häufung von typischen Diabeteskomplikationen beobachten (Schlesinger et al. 2021), sodass es anzunehmen ist, dass die Pathologie dieser Ereignisse deutlich früher als der Diabetes beginnt.

Die Prävalenz von Prädiabetes beträgt, je nach Definition, weltweit zwischen 20 und 38 Prozent. Für eine effektive und effiziente Prävention wäre es wichtig, die aufwendigen und teuren Präventivmaßnahmen auf die Hochrisikogruppen im Prädiabetes zu fokussieren.

 

Untersuchung des prädiabetischen Stoffwechsels identifiziert Cluster, die bereits im Prädiabetes ein höheres Risiko zur Niereninsuffizienz und allgemeinen Sterblichkeit zeigen

Durch eine Analyse von Personen mit erhöhtem Diabetesrisiko im Universitätsklinikum Tübingen und anschließende Replikation in einer Kohorte aus England konnten wir zeigen, dass der prädiabetische Stoffwechsel auch heterogen ist und in sechs unterschiedliche Cluster unterteilbar ist (Robert Wagner et al. 2021).

Von den sechs Clustern hatten nur drei ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung eines Diabetes im Verlauf. Cluster #5 war gekennzeichnet durch eine schwere Insulinresistenz, begleitet von einem sehr hohen Leberfettgehalt von durchschnittlich 20 Prozent, sowie eine nachlassende Insulinsekretion. In den Daten der Tübinger Kohorte entwickelten beinahe alle in dieser Gruppe einen Diabetes innerhalb von zehn Jahren. Diese Gruppe, wie die SIRD-Gruppe bei den Patienten mit Diabetes, hatte ein höheres Risiko zur Entwicklung einer Herz-Kreislauf-Erkrankung.

Cluster #3, charakterisiert durch eine primäre Insulinsekretionsstörung, hatte das zweithöchste Diabetesrisiko.

Besonders interessant die dritte Hochrisikogruppe, das Cluster #6, das zwar von den drei diabetesgefährdeten Gruppen das niedrigste Risiko für Typ-2-Diabetes hatte, da sie lange in der Übergangsphase Prädiabetes ausharrte, aber im Verlauf häufiger Nierenschädigung entwickelte und höhere Sterblichkeit aufwies.

Die Ursache der Übersterblichkeit dieser eigentlich nur moderat Diabetes gefährdeten Gruppe konnte bislang nicht ausreichend geklärt werden, wobei eine der wahrscheinlichsten Möglichkeiten ist, dass die oft stille Herz Kreislauf Erkrankung Herzinsuffizienz bei noch erhaltener Pumpfunktion des Herzens (auch diastolische Herzinsuffizienz genannt) dazu beiträgt.

 

Das Ziel ist, Patienten mit Diabetes besser zu behandeln, damit sie keine Diabetes-Komplikationen auch für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung entwickeln

Dazu müssen wir erkennen, welche Patienten eine frühe, intensive Behandlung womöglich bereits im Stadium Prädiabetes benötigen und welche weniger Behandlung brauchen, weil sie nicht gefährdet sind, Komplikationen zu entwickeln.

Eine der noch wenig verstandenen, aber wichtigen Komplikationen des Diabetes ist die diastolische Herzinsuffizienz, die eine hohe Dunkelziffer an Sterblichkeit bei Patienten mit Diabetes verursacht. Wir müssen Strategien entwickeln, die Diabeteskomplikationen und die Ursachen der erhöhten Sterblichkeit der Patienten weiter zu reduzieren. Dazu brauchen wir eine bessere Vorhersagbarkeit der Komplikationen und Studien, die für die unterschiedlichen Risikogruppen und Endotypen die optimalen Therapien identifizieren. Ergebnisse aus diesen Studien werden in der Diabetologie eine Präzisionsmedizin ermöglichen.


Literatur

Ahlqvist E, Storm P, Käräjämäki A, Martinell M, Dorkhan M, Carlsson A, Vikman P, Prasad RB, Aly DM, Almgren P, Wessman Y, Shaat N, Spégel P, Mulder H, Lindholm E, Melander O, Hansson O, Malmqvist U, Lernmark Å, Lahti K, Forsén T, Tuomi T, Rosengren AH, Groop L. Novel subgroups of adult-onset diabetes and their association with outcomes. A data-driven cluster analysis of six variables. Lancet Diabetes Endocrinol. 2018 May;6(5):361-369. doi: 10.1016/S2213-8587(18)30051-2. Epub 2018 Mar 5. PMID: 29503172.

Schlesinger S, Neuenschwander M, Barbaresko J, Lang A, Maalmi H, Rathmann W, Roden M, Herder C. Prediabetes and risk of mortality, diabetes-related complications and comorbidities. Umbrella review of meta-analyses of prospective studies. Diabetologia. 2022 Feb;65(2):275-285. doi: 10.1007/s00125-021-05592-3. Epub 2021 Oct 31. PMID: 34718834; PMCID: PMC8741660.

Wagner R, Häring H-U and Fritsche A. 2014. [Phenotypes of prediabetes and type 2 diabetes]. Deutsche Medizinische Wochenschrift 139(21): 1109-13. https://doi.org/10.1055/s-0034-1370076. Wagner R, Heni M, Tabák AG, Machann J, Schick F, Randrianarisoa E, Hrabě de Angelis M, et al. 2021. Pathophysiology-Based Subphenotyping of Individuals at Elevated Risk for Type 2 Diabetes. Nature Medicine 27 (1): 49-57. https://doi.org/10.1038/s41591-020-1116-9.

Zaharia OP, Strassburger K, Strom A, Bönhof GJ, Karusheva Y, Antoniou S, Bódis K, et al. 2019. Risk of Diabetes-Associated Diseases in Subgroups of Patients with Recent-Onset Diabetes: A 5-Year Followup Study. The Lancet. Diabetes & Endocrinology 7 (9): 684-694. https://doi.org/10.1016/S2213- 8587(19)30187-1. (Es


Quelle:

Diabetes-Subtypen und deren kardiovaskulare Bedeutungen. STATEMENT Professor Dr. med. Robert Wagner. Leitender Oberarzt an der Klinik für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum. Düsseldorf und Leiter des Klinischen Studienzentrums am Deutschen Diabetes-Zentrum (DDZ), 16. Diabetes Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Angiologie (DGA), Düsseldorf November 2022.

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