Sonntag, Juli 20, 2025

Hemmende Synapsen im Gehirn

Hemmende Synapsen im Gehirn beeinflussen mit hoher Präzision die Signalverarbeitung und können den Informationsfluss eingrenzen und verändern.

 

Informationen werden über Billionen von Synapsen im Gehirn von einer Zelle zur nächsten weitergegeben. Für einen optimalen Datenfluss ist jedoch nicht nur die Übertragung von Informationen wichtig, sondern auch ihre gezielte Hemmung.

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie in Martinsried konnten nun in Mäusen zeigen, dass selbst einzelne hemmende Synapsen die Signalverarbeitung maßgeblich beeinflussen können. Die Studie ergänzt ein wichtiges Puzzleteil zum Verständnis dieser grundlegenden Gehirnfunktion, die auch bei manchen Krankheiten eine Rolle spielt.

 

Hundert bis tausend Synapsen im Gehirn steuern unser Denken, Handeln und Fühlen sowie unsere Organ- und Körperfunktionen

Das menschliche Gehirn besteht aus rund 100 Milliarden Nervenzellen. Jede dieser Zellen ist über mehrere hundert bis tausend Synapsen im Gehirn mit anderen Zellen verbunden. Unser Denken, Handeln und Fühlen, aber auch unsere Organ- und Körperfunktionen werden durch die synaptische Informationsweitergabe gesteuert – in jeder Sekunde sind es viele Billiarden Impulse.

Damit dieser enorme Datenstrom in geregelten Bahnen läuft, gibt es erregende Synapsen, die Informationen zwischen Zellen weitergeben, und hemmende Synapsen im Gehirn, die den Informationsfluss eingrenzen und verändern.

Wie wichtig auch das Unterdrücken unerwünschter Signale ist, zeigt sich unter anderem, wenn die Funktion der hemmenden Synapsen gestört ist: Es kommt zu einer überhöhten Erregung im Gehirn, wie sie zum Beispiel bei Epilepsie zu sehen ist. Doch auch um zu lernen, oder sich zu erinnern, braucht das Gehirn Nervenzellen, die die Aktivität anderer Nervenzellen regulieren.

Die meisten dieser hemmenden Synapsen im Gehirn docken an die Empfangseinheit der Zielzelle an, die Dendriten. Welche Wirkung diese hemmenden Synapsen jedoch genau haben und wie präzise sie agieren, war bislang nicht erforscht.

 

Selbst einzelne hemmende Synapsen im Gehirn beeinträchtigt die Signalverarbeitung

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie konnten nun in Mäusen zeigen, dass selbst einzelne hemmende Synapsen im Gehirn die Signalverarbeitung in den Dendriten anderer Zellen entscheidend beeinflussen. Die Neurobiologen untersuchten den Einfluss der dendritischen Hemmung auf Nervenzellen im Hippocampus, einem Gehirnbereich, in dem unter anderem Kurzzeit- in Langzeiterinnerungen umgewandelt werden.

Mit einer fein abgestimmten Kombination verschiedener Methoden konnten die Forscher durch das Mikroskop beobachten, wie schon einzelne hemmende Synapsen im Gehirn die Stärke und Ausbreitung eines Signals in der gehemmten Nervenzelle erheblich veränderten. Die Ergebnisse zeigen, dass Nervenzellsignale durch hemmende Synapsen im Gehirn mit einer Präzision von wenigen Millisekunden und Mikrometern in ihrer Amplitude reguliert werden können.

Es war bekannt, dass hemmende Nervenzellen eine sehr grundlegende Funktion im Gehirn erfüllen. „Dass aber bereits einzelne hemmende Synapsen in Gehirn eine wichtige Rolle spielen und eine so präzise Wirkung haben, hat uns richtig fasziniert“, erklärt Fiona Müllner, die Erstautorin der gerade erschienenen Studie.

Aufbauend auf ihre Ergebnisse konnten die Wissenschaftler mit Hilfe eines Modells zeigen, wie einzelne hemmende Synapsen im Gehirn sogar die synaptische Plastizität, die Grundlage für Lernen und Gedächtnis, kontrollieren könnten. „Uns interessiert jetzt natürlich ganz besonders, welche Einflüsse eine so präzise Hemmung auf die Speicherung von Information im Nervensystem hat“, fügt Tobias Bonhoeffer hinzu, der mit seiner Abteilung am Max-Planck-Institut für Neurobiologie die Grundlagen der synaptischen Plastizität untersucht.

 

Quelle: Fiona Müllner, Corette Wierenga, Tobias Bonhoeffer: Precision of Inhibition: Dendritic Inhibition by Individual GABAergic Synapses on Hippocampal Pyramidal Cells Is Confined in Space and Time. Neuron, 5. August 2015

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