Freitag, April 19, 2024

Darmwand regenerieren wenn die Stammzellen im Darm geschädigt sind

Unser Körper hat einen Notfallplan, um die Darmwand regenerieren zu können, auch wenn das normale Selbstheilungsprogramm im Darm nicht ausreicht.

Stammzellen sind dafür verantwortlich, dass sich die Darmwand regenerieren kann. Doch was passiert, wenn die Stammzellen im Darm selbst beispielsweise durch eine Infektion geschädigt werden? Wissenschaftler haben jetzt herausgefunden, wie genau es dem Organismus gelingt, die Darmwand auch in diesem Fall wieder aufzubauen und zu regenerieren. Dieses Wissen könnte in Zukunft neue Ansätze zur Behandlung von Darmerkrankungen ermöglichen.



 

Regenerationsprogramm aktivieren

Als Grenzfläche zwischen dem körpereigenen Gewebe und körperfremdem Material ist der Darm verschiedensten Einflüssen ausgesetzt. Viele dieser Umweltfaktoren sind nützlich oder sogar überlebenswichtig. Einige jedoch, wie Krankheitserreger oder giftige Nahrungsbestandteile, können die Zellen, die die Darmwand auskleiden, schädigen und zu einer Entzündung führen.

In solchen Fällen kann der Körper sein Regenerationsprogramm aktivieren: Stammzellen, die in Vertiefungen der Darmwand liegen, teilen sich häufiger. Ihre Tochterzellen ersetzen dann die geschädigten Zellen an der Oberfläche des Gewebes und stellen die Funktionsfähigkeit der Darmbarriere wieder her.

In manchen Fällen jedoch zerstört das körperfremde Material nicht nur die Zellen an der Oberfläche der Darmwand, sondern auch die tiefliegenden Stammzellen im Darm. Wie sich die Darmbarriere selbst dann noch erholen kann, hat ein Team unter Leitung von Dr. Michael Sigal von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie und Gastroenterologie am Campus Charité Mitte und Campus Virchow-Klinikum jetzt im Tiermodell untersucht.



 

Der Botenstoff R-spondin 3 bewirkt, dass verbliebene, noch gesunde Zellen die Funktion von Stammzellen übernehmen.

„Wie wir zeigen konnten, nehmen hierbei die Muskelzellen, die direkt unterhalb der geschädigten Zellschicht liegen, eine zentrale Rolle ein“, erklärt Dr. Sigal. Die Forschungsgruppe wies nach, dass diese Muskelzellen den Botenstoff R-spondin 3 abgeben, sobald die Stammzellen in der Darmwand verloren gegangen sind.

Dieser Botenstoff bewirkt, dass verbliebene, noch gesunde Zellen die Funktion von Stammzellen übernehmen. Sie produzieren Tochterzellen, die das Gewebe im Bereich der Schädigung wiederherstellen. In Versuchen, in denen die Ausschüttung von R-spondin 3 genetisch ausgeschaltet worden war, erwies sich dieser Regenerationsmechanismus bei einer schweren Darmentzündung gar als überlebenswichtig.

 

Notfallplan, damit sich die Darmwand auch ohne Stammzellen regernieren kann

„Unsere Studie zeigt also, dass der Körper einen Notfallplan hat für den Fall, dass das normale Selbstheilungsprogramm im Darm nicht ausreicht“, sagt Dr. Sigal. Der Leiter einer Emmy Noether-Nachwuchsgruppe und BIH Charité Clinician Scientist betont: „Wenn allerdings dieser Notfallplan nicht durchlaufen werden kann, kann eine schwere Entzündung im Darm unter Umständen sogar tödlich verlaufen. Hier sehen wir Parallelen zu dem, was wir bei Patientinnen und Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen beobachten: Während sich viele Patienten schnell wieder erholen, wird die Krankheit bei einigen chronisch oder nimmt einen schweren, komplikationsreichen Verlauf.“

Das Forschungsteam möchte das jetzt erweiterte Wissen um die Selbstheilungskräfte eines Organismus nutzen, um neue Ansätze zur Behandlung von akuten und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen zu entwickeln.

„Wenn wir Möglichkeiten finden, die Regenerationsfähigkeit des Darms zu aktivieren, könnten wir in Zukunft den Verlauf von Darmerkrankungen möglicherweise positiv beeinflussen“, sagt Dr. Sigal.




Literatur:

Christine Harnack, Hilmar Berger, Agne Antanaviciute, Ramon Vidal, Sascha Sauer, Alison Simmons, Thomas F. Meyer & Michael Sigal. R-spondin 3 promotes stem cell recovery and epithelial regeneration in the colon. Nature Communications volume 10, Article number: 4368 (2019). Nat Commun. 2019 Sep 25;10(1):4368. doi: 10.1038/s41467-019-12349-5


Quelle: Campus Charité Mitte und Campus Virchow-Klinikum, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie und Gastroenterologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin

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