Dienstag, April 16, 2024

CBmed und MedUni im Kampf gegen Krebs

Dem Krebs den Kampf ansagen: Das österreichische Forschungszentrum CBmed treibt mit der MedUni Wien die Forschung mit neuen Methoden voran.

CBmed – das österreichische Forschungszentrum (Center for Biomarker Research in Medicine) –, das soeben zum europaweit ersten Expert Center des Verbundes europäischer Biobanken BBMRI-ERIC (Biobanking and BioMolecular resources Research Infrastructure – European Research Infrastructure Consortium) ernannt wurde, startet offiziell mit einem neuen Core Lab an der Medizinischen Universität Wien. Gemeinsam mit den Kooperationspartnern TissueGnostics GmbH und Merck Sharp & Dohme Gesellschaft m.b.H. (MSD) geht CBmed einen Schritt in Richtung personalisierte Medizin.

„Das Wissen, dass nicht jeder Mensch auf jede Therapie gleich reagiert, hat sich in den letzten Jahren verbreitet. Eine personalisierte, maßgeschneiderte Behandlung des einzelnen Patienten möglich zu machen, ist das langfristige Ziel der medizinischen Forschung“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Thomas Pieber als wissenschaftlicher Leiter des Forschungszentrums CBmed GmbH. „Ein wichtiges Forschungsgebiet auf dem Wege dahin ist die Analyse von Biomarkern, das sind biologisch messbare Einheiten wie Enzyme, Hormone oder Gene, gemessen in humanen biologischen Proben. Wir erforschen völlig neue Methoden in unseren sogenannten Core Labs, um möglichst früh und schonend eine gezielte Diagnose und maßgeschneiderte Behandlung eines Patienten zu erreichen“, so Pieber weiter. Die Medizinische Universität Wien ist für das Forschungszentrum CBmed der ideale Standort für das neue und bereits sechste „Core Lab“ des Forschungszentrums, welches sich auf Proteomik (Analyse sämtlicher Proteine einer Zelle) spezialisiert hat und neu eröffnet wird. „Anspruch der MedUni Wien ist es, Patientinnen und Patienten auf dem neuesten Stand des Wissens zu behandeln. „Personalisierte Medizin“ ist der wichtigste Trend der Medizin des 21. Jahrhunderts. Neue Therapien werden nicht mehr Arzneimittel-zentriert, sondern Patienten-zentriert angewandt und entwickelt werden. Die molekulare Charakterisierung kranker und gesunder Gewebe spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Die MedUni Wien setzt daher große Erwartungen in die Biomarkerforschung mit CBmed“, erklärt Univ.-Prof. Dr. med. univ. Markus Müller, Rektor der Medizinischen Universität Wien.

„In Vivo Imaging“: Zellen und Stoffwechselvorgänge von außen erkennen

Das neue „Core Lab 2“ des Forschungszentrums CBmed an der MedUni Wien arbeitet mit Proteomik (Proteom = Eiweißstruktur). Grundlage für diese Analyse war die Sequenzierung des menschlichen Gesamtgenoms im Jahr 2001. Dank In Vivo Imaging können Tumore im Körper ohne Biopsie, also nicht-invasiv identifiziert werden – sofern die passenden Biomarker bekannt sind. Zudem erlaubt die Methode, auch Stoffwechselvorgänge sichtbar zu machen. Dazu werden dem Patienten radioaktive Marker-Moleküle gespritzt. Ähnlich wie ein Schlüssel zum Schloss finden die Marker das passende Molekül auf der Oberfläche des Tumors und setzen sich dort fest. Bei der Untersuchung mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET) werden dann die genaue Art, Position und Größe des Tumors in hoher Auflösung sichtbar – ein immenser Vorteil auch bei der Beobachtung von Patienten vor einer Operation. „Die Erkenntnis, dass Tumore komplexer sind als angenommen und auch über Moleküle verfügen, ist relativ neu. Die intertumorale Heterogenität bedingt, dass eine einzelne Gewebeprobe oft nicht aussagekräftig ist. Unser Ziel ist es, möglichst viele therapeutische Zielmoleküle zu definieren, um in Zukunft alle Arten von Tumoren auch ohne invasive Gewebeprobe erkennen zu können“, meint Univ. Prof. Dr. Lukas Kenner, experimenteller Pathologe an der MedUni Wien. Die Software des Wiener Unternehmens TissueGnostics erlaubt es, die Tumore sowohl im Modell, als auch real in einzelne Moleküle zu zerlegen und dort das Proteom zu analysieren. Im Gegensatz zum Core Lab 1 des CBmed, das nur mit frischen Proben arbeitet, werden im Core Lab 2 Paraffinproben ausgewertet, um neue Marker zu finden – ein völliges Novum, denn bis vor kurzem war die Analyse des gesamten Proteoms von Paraffinproben technisch nicht möglich. Ziel ist eine Automatisierung der Analysemethode, um die Kosten zu senken und den Verlauf von Patientengeschichten über Jahre hinweg nachzuvollziehen.

 

Hunderte Proteine gleichzeitig analysieren dank MALDI-MSI

Die Matrix-unterstützte Laser-Desorption Ionisation (Matrix-assisted Laser Desorption Ionization, kurz MALDI) ist ein Verfahren zur Ionisation von Molekülen. „Mit dieser Methode, die wir im ersten Core Lab in Wien seit einiger Zeit anwenden, können jetzt hunderte Proteine statt früher nur fünf analysiert werden. So hoffen wir, schneller neue Biomarker zu finden“, sagt Ao. Univ. Prof. Mag. Dr. Rudolf Oehler, MedUni Wien. Gemeinsam mit TissueGnostics, die die Software beisteuerte, wurde die Methode entwickelt. „Neu ist, dass wir dank dieser Entwicklung Gewebe ohne die Verwendung von Antikörpern analysieren können“, so Oehler. Im nächsten Schritt werden aus Proben einzelne Zellen extrahiert – ähnlich wie bei einer In-Vitro-Fertilisation wird eine von der Software gesteuerte Glaskapillare in das Gewebe gestochen und die gewünschte Zelle mitsamt eines Lösungsmittels aufgesaugt, danach analysiert – beispielsweise im Massenspektrometer. „Dank dieses neuen Verfahrens MALDI-MSI können wir viele verschiedene Gewebeproben miteinander vergleichen und wichtige Biomarker finden“, hofft Oehler. Eine relativ neue Methode zur Krebstherapie ist die Krebsimmuntherapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren. Auf diese leider noch sehr teure Therapie, die aktuell bei der Behandlung von schwarzem Hautkrebs erfolgreich zum Einsatz kommt, spricht etwa ein Drittel der Patienten an – und wird vollkommen geheilt. Oehler: „Wenn wir Biomarker finden, die uns im Voraus sagen, ob die Therapie helfen wird oder nicht, wäre das ein Durchbruch, der auch enormes Einsparungspotential birgt – weil nur jene Menschen die Behandlung erhalten, bei denen sie bestimmt wirkt.“

 

CBmed hilft, die Finanzierungslücke zu schließen

Die Erforschung neuer Methoden und deren Entwicklung hin zur Klinikreife kostet viel Zeit und Geld. Während die Universitäten meist zu wenige Eigenmittel für die Forschung haben und Pharmaunternehmen noch kein Interesse zeigen, springt CBmed als Finanzierungs- und Forschungspartner ein. Die aktuelle Förderungsperiode für MALDI-MSI läuft noch weitere drei Jahre, in dieser Zeit werden die Proben vom Wiener AKH ausgewertet. In der zweiten Förderperiode, die ebenfalls vier Jahre dauern wird, sollen die Ergebnisse mit Proben aus den Core Labs in Graz evaluiert werden. „Das Ziel ist es, nach den 8 Jahren eine ausgereifte, fertige Methode entwickelt zu haben und weltweit vermarkten zu können. Durch die Lizenzierung oder auch Auftrags-Analysen soll die langfristige Finanzierung des CBmed gesichert werden.“ erklärt Pieber.

 

Feinschliff der Analysemethode mit Expertise von Merck Sharp & Dohme

Die Überlappungen zwischen den Forschungsfeldern von CBmed und Merck Sharp & Dohme Ges.mbH (MSD) waren ausschlaggebend für den Beginn der aktuellen Kooperation, die nur der erste Schritt für eine langfristige intensive Zusammenarbeit sein soll. Das vorhandene Know-how bei beiden Partnern in dieser Kooperation ist sehr hoch. Ein wichtiger Forschungsbereich bei MSD ist die verbesserte Diagnostik und personalisierte Therapie von akuten und chronischen Krankheiten, unter anderem auf den Gebieten der Infektiologie und Onkologie. Alleine im Bereich der Immun-Onkologie führt MSD derzeit über 300 klinische Studien bei 30 verschiedenen Krebsarten durch. Durch eine zielgenaue Diagnostik und die Entwicklung spezifischer Biomarker soll im Idealfall eine maßgeschneiderte Behandlung für Patienten möglich werden.

 

Software von TissueGnostics ermöglicht rascheres Erkennen neuer Biomarker

Georg Steiner und sein Team der TissueGnostics GmbH können auf langjährige Erfahrung im Bereich der Krebsforschung und Krebstherapie zurückgreifen. Seit nunmehr 13 Jahren ist TissueGnostics (Tissue aus dem Englischen für Gewebeproben) Vorreiter und Marktführer im Bereich digitaler Gewebeanalyse und Einzelzellerkennung und kann mit ihrem Know-how und der sogenannten „TissueFax“-Produktlinie wesentlich zur Diagnose von Krebserkrankungen sowie zur Entwicklung von neuen Medikamenten beitragen. „Wir unterstützen Forschungsgruppen als Industriepartner sehr gerne und schlagen mit ihnen innovative Wege ein, um den öffentlichen Gesundheitsmarkt mitzugestalten. Durch moderne Digitalisierung und Quantifizierung der Daten werden Horizonte eröffnet und die Möglichkeit für neue Diagnose und Therapiemöglichkeiten geschaffen“, erläutert Georg Steiner als Geschäftsführer von TissueGnostics. Die Vision der TissueGnostics ist – wie vor 13 Jahren – zur Diagnose und Heilung von Krebserkrankungen beizutragen und so einen wesentlichen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Durch die Kooperation zwischen Industriepartnern und wissenschaftlichen Institutionen wird dies bestmöglich realisiert und stellt jedenfalls eine Win-win-Situation dar.

 

CBmed zum ersten Expert Center der europäischen Biobanken ernannt

Mit der Übergabe der Urkunde an das CBmed als erstes europäisches BBMRI-ERIC Expert Center durch Jan-Eric Litton, Director General BBMRI-ERIC, ist es offiziell. Die Ernennung zum europaweit ersten Expert Center des Verbundes europäischer Biobanken BBMRI-ERIC (Biobanking and BioMolecular resources Research Infrastructure – European Research Infrastructure Consortium) bedeutet ein klares Bekenntnis zur Einführung von Qualitätsstandards in der Analyse menschlicher Proben. Die von Patienten gespendeten, wertvollen genetischen Proben und deren Analyse sind die Grundlage für das Verständnis von Krankheiten, hinter denen neben verschiedenen klinischen Merkmalen auch eine Vielzahl unterschiedlicher Pathologien steckt. Durch die Einführung von Qualitätskriterien und die Standardisierung der Verfahren werden die gewonnenen Daten international vergleichbar gemacht – das bedeutet eine Beschleunigung der Forschung und somit bessere Behandlungsmethoden. Die 2013 gegründete Forschungsinfrastruktur BBMRI-ERIC bildet die methodische Plattform für die Zusammenarbeit der europäischen Biobanken, um eine effiziente und exzellente biomolekulare und medizinische Forschung zu unterstützen.
Pieber: „Es ist eine große Ehre und Auszeichnung für das CBmed, als das erste europäisches BBMRI-ERIC Expert Center ernannt zu werden. Wir nehmen diese Auszeichnung und die damit verbundenen Aufgaben gerne an und freuen uns auf die Forschungs-Arbeit in diesem wertvollen Netzwerk!“

 

CBmed GmbH (Zentrum für Biomarkerforschung in der Medizin)

 CBmed, ein K1-Kompetenzzentrum des COMET Programms der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG, verbindet exzellente Forschungsinfrastruktur, wissenschaftliche Kompetenz, medizinisches Fachwissen, nationale und internationale Unternehmen für eine systematische Biomarkerforschung in der Medizin.
 CBmed vernetzt wissenschaftliche Expertise mit führenden Pharma-, Diagnostik-, medizintechnologischen- und IT-Unternehmen. Die Forschungsprojekte von CBmed werden neue Biomarker identifizieren, Biomarker-Kandidaten validieren und transnationale Biomarkerforschung für die klinische Anwendung betreiben.
 CBmed entwickelt Biomarker, welche leicht anwendbar, gezielt sowie minimalinvasiv sind und für eine bessere Diagnose, bessere Therapiekontrolle und für eine personalisierte Behandlung von Patienten eingesetzt werden können.
 Die Projekte von CBmed streben die Entwicklung leicht einsetzbarer, gezielter sowie minimalinvasiver Biomarker für eine bessere Diagnose, bessere Therapiekontrolle und für eine personalisierte Behandlung von Patienten an.
 Die Vision des CBmed ist es, bis zum Jahre 2030 das weltweit bekannteste Zentrum für Biomarkerforschung im Bereich der personalisierten Medizin zu werden. Dies wird durch die Kombination innovativer Technologien mit internationaler und interdisziplinärer Kompetenz in den Bereichen Krebs, Stoffwechsel und Entzündung erzielt. Zusammen mit unseren wissenschaftlichen und industriellen Partnern werden wir Lösungen und Produkte für die Versorgung und Heilung von Patienten entwickeln.

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